Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag -Zur Bedeutung des Schriftformerfordernisses gemäß § 12 AÜG

Die Situation ist in der Zeitarbeitspraxis täglich anzutreffen und doch ist den wenigsten das damit verbundene Risiko bewusst:

Der Zeitarbeitnehmer wird überlassen, ohne dass hierüber ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag in der Schriftform geschlossen wird, wie sie in § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG vorgesehen ist.

Dabei sind die Risiken – insbesondere für den Kunden – ganz erheblich.

Dem Schriftformerfordernis sollte daher von beiden Seiten (mehr) Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Einige Arbeitshilfen:

Die Risiken

Zur Verdeutlichung der Risiken, die für den Kunden sowie das Zeitarbeitsunternehmen bestehen, wenn das Schriftformerfordernis des § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG nicht eingehalten wird, kann das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29.03.2005 (Az. 15 U 16/04) dienen.

In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte ein Zeitarbeitsunternehmen einen Kraftfahrer an einen Kunden überlassen, der zwar über den erforderlichen Führerschein verfügte, bislang aber keine Fahrpraxis vorzuweisen hatte.
Da der Kunde diesen Kraftfahrer sehr kurzfristig benötigte, wurde zwischen den Parteien kein schriftlicher Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen.
Das Zeitarbeitsunternehmen übersandte dem Kunden zwar per Telefax das firmenübliche Vertragsmuster, in welches die Daten des Mitarbeiters eingetragen worden waren.
Der Kunde sandte dieses jedoch nicht zurück und das Zeitarbeitsunternehmen ging dem auch nicht weiter nach.

Nachfolgend kam es, wie es kommen musste: Aufgrund eines gravierenden Fahrfehlers verursachte der überlassene Kraftfahrer einen Verkehrsunfall, bei dem allein dem Kunden ein Schaden in Höhe von 50.000,00 Euro entstand.
Hinzu kamen weitere erhebliche Schäden dritter Personen, die jedoch zunächst von der Haftpflichtversicherung des Kundenunternehmens übernommen wurden.
Wenige Wochen später standen sich das Zeitarbeitsunternehmen und der Kunde in den Räumen des Landgerichts Karlsruhe gegenüber, da man sich wechselseitig verklagt hatte.

Der Kunde hatte für die Überlassung des Mitarbeiters die von dem Zeitarbeitsunternehmen geforderte Vergütung nicht gezahlt und zugleich von dem Zeitarbeitsunternehmen Schadenersatz in Höhe von 50.000,00 Euro mit der Begründung verlangt, man habe einen nicht hinreichend qualifizierten Kraftfahrer überlassen und sei daher wegen fehlerhafter Auswahl (sog. Auswahlverschulden) schadenersatzpflichtig.

Im Ergebnis hatte – in diesem Einzelfall – der Kunde die Folgen der Missachtung des Schriftformerfordernisses des § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG zu tragen. Denn das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied, dass der mündlich vereinbarte Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mangels Einhaltung der Schriftform des § 12 Abs. 1 AÜG unwirksam sei, so dass das Zeitarbeitsunternehmen von dem Kunden nicht wegen Verletzung einer Vertragspflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl eines hinreichend qualifizierten Mitarbeiters in Haftung genommen werden könne.
Dies gelte auch dann, wenn der Verkehrsunfall letztendlich darauf zurückzuführen sei, dass der überlassene Mitarbeiter nicht die erforderliche Fahrpraxis aufgewiesen habe.

In der Folge musste somit das Kundenunternehmen die dort entstandenen Schäden in Höhe von ca. 50.000,00 Euro selbst tragen.

Wenn nun seitens eines Zeitarbeitsunternehmens die Auffassung entstehen sollte, der vorstehend dargestellte Sachverhalt animiere dazu, zukünftig keine formwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsverträge mehr zu schließen, so sei zur Abschreckung ergänzend auf folgenden Fall hingewiesen:

Ein Zeitarbeitsunternehmen hatte mit einem größeren Kunden zunächst einen schriftlichen Rahmenvertrag geschlossen, zu dessen Durchführung nachfolgend jeweils am Freitag einer Woche eine Bestellliste des Kunden per Telefax übersandt wurde, in der der Personalbedarf für die kommende Woche aufgelistet war.
Da die Geschäftsbeziehung sich sehr gut entwickelte und das Volumen der überlassenen Mitarbeiter ständig stieg, verlangte der Kunde ab dem 2. Jahr der Zusammenarbeit bessere finanzielle Konditionen.
Nach längerem Ringen einigte man sich telefonisch auf einen All Inclusive-Stundenverrechnungssatz, der zwar höher lag als der ortsübliche Stundenverrechnungssatz, dafür jedoch sämtliche Zuschläge bereits enthielt, die vorhergehend jeweils gesondert in Rechnung gestellt werden konnten.
Nachdem man sich telefonisch entsprechend geeinigt hatte, bat der Kunde noch um eine Bestätigung der vereinbarten Konditionen per E-Mail, welche auch versandt wurde.
Nachfolgend wurde das Vertragsverhältnis ca. sieben Monate durchgeführt.
Im Rahmen der Zusammenarbeit wurden zum Teil wöchentlich bis zu 150 Mitarbeiter an diesen Kunden überlassen.
Für die letzten zwei Monate dieses Zeitraums der Zusammenarbeit ging bei dem Zeitarbeitsunternehmen jedoch keine Zahlung mehr ein.
Nachdem man zunächst nur höflich an die Zahlung erinnert hatte – man wollte seinen guten Kunden nicht vergraulen –, traf man sich sodann in den Büroräumen des Kunden, um die ernste Situation zu besprechen.
Zu diesem Zeitpunkt standen Vergütungsansprüche des Zeitarbeitsunternehmens in Höhe von ca. 640.000,00 Euro offen.
Innerhalb des Gespräches trat für den Kunden nicht nur der dem Zeitarbeitsunternehmen bislang gut bekannte Einkäufer, sondern auch ein Mitarbeiter aus dem Controlling und ein Vertreter der Rechtsabteilung der Firmengruppe des Kunden auf.
Der Jurist erklärte dem Zeitarbeitsunternehmen, dass die in der Vergangenheit gelebten Arbeitnehmerüberlassungsverträge sämtlichst unwirksam seien, da sie das Schriftformerfordernis des § 12 Abs. 1 AÜG nicht eingehalten hätten; die Rahmenvereinbarung über den All Inclusive-Stundenverrechnungssatz sei nur telefonisch bzw. per E-Mail getroffen worden, was dem Schriftformerfordernis nicht genüge.
Die Einzelbestellungen der Mitarbeiter seien jeweils nur per Telefax durch den Kunden erfolgt, ohne dass diese auch nur eine Unterschrift des Zeitarbeitunternehmens tragen würden.
Der Jurist räumte ein, dass man für die überlassenen Mitarbeiter zwar den ortsüblichen Stundensatz zu zahlen habe, dieser liege jedoch deutlich niedriger, als der zuletzt mündlich vereinbarte All Inclusive-Stundenverrechnungssatz.
Der Kundenmitarbeiter aus der Controlling-Abteilung rechnete dem Zeitarbeitsunternehmen sodann vor, dass der Betrag, um den der All Inclusive-Stundenverrechnungssatz den ortsüblichen Stundenverrechnungssatz überstiegen habe, so hoch gewesen sei, dass die Summe dieser Differenz, die über den Zeitraum der letzten sieben Monate aufgelaufen sei, einen Betrag in Höhe von – wen wird es überraschen – 640.000,00 Euro erreicht habe.
Der Mitarbeiter aus der Einkaufsabteilung des Kunden schlug sodann vor, dass man nunmehr in dem Bewusstsein auseinander gehe, dass wechselseitig keine Ansprüche mehr bestünden.
Dem Kundenunternehmen sei zwar bewusst, dass das Zeitarbeitsunternehmen mit dieser Vorgehensweise nicht sonderlich einverstanden sein könne.
Man habe sich jedoch ohnehin bereits mit einem der großen internationalen Zeitarbeitsunternehmen auf ein standortübergreifendes OnSite-Management geeinigt, in das man kurzfristig auch den hiesigen Standort aufnehmen könne.
Das Zeitarbeitsunternehmen habe somit die Wahl, die vorgeschlagene Lösung zu akzeptieren oder mit einer kurzfristigen Beendigung der Zusammenarbeit zu rechnen.

Die gesetzlichen Anforderungen

Um Situationen wie die vorstehend beschriebenen zu vermeiden, sollten sowohl der Kunde als auch das Zeitarbeitsunternehmen darauf achten, dass für die Überlassung jedes Arbeitnehmers ein schriftlicher Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen wird, der die Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG erfüllt.
Erforderlich hierfür ist, dass sämtliche für die Überlassung geltenden Bedingungen schriftlich niedergelegt sind und die Urkunde(n), in der/denen die Inhalte niedergelegt sind, sowohl von einem vertretungsberechtigten Mitarbeiter des Kunden als auch von einem solchen des Zeitarbeitsunternehmens eigenhändig im Original unterzeichnet sind.

  • Sämtliche Vertragsinhalte
    Das Schriftformerfordernis des § 12 Abs. 1 AÜG erstreckt sich zunächst auf sämtliche Vertragsinhalte
    .
    Es genügt demnach nicht, wenn die Vertragsparteien ihrer Geschäftsbeziehung einen schriftlichen Rahmenvertrag zugrunde legen, in dem die geltenden Konditionen und die erforderlichen Mitarbeiterqualifikationen, die Kündigungsfristen sowie der Haftungsrahmen usw. schriftlich niedergelegt sind und der von beiden Parteien unterzeichnet ist.
    In diesem Falle fehlt es an einer schriftlichen Vereinbarung im Sinne des § 12 Abs. 1 AÜG über die konkrete Überlassung des jeweiligen Mitarbeiters. Die tatsächliche Dienstleistung des Zeitarbeitsunternehmens und damit Ort, Zeitraum und konkrete Qualifikation des bzw. der zu überlassenden Mitarbeiter sind in einer solchen Rahmenvereinbarung nicht enthalten, so dass nicht alle für die Überlassung geltenden Abreden schriftlich festgehalten sind.
    Daher genügt das in der Zeitarbeitspraxis mittlerweile häufig anzutreffende Abruf-Verfahren, bei dem der konkrete Mitarbeiterbedarf dem Zeitarbeitsunternehmen lediglich per E-Mail mitgeteilt wird, dem Schriftformerfordernis des § 12 Abs. 1 AÜG gerade nicht.
    Genauso wenig genügt ein schriftlicher Auftrag des Kunden, der entweder gar nicht oder nur von dem Kunden unterzeichnet ist. Dies mag für Werkleistungen mit erheblich größerem Auftragsvolumen üblich sein; für solche Werkleistungen gilt aber auch kein gesetzliches Schriftformerfordernis.
    Auch wenn es nur schwer nachvollziehbar ist: Man kann nach deutschem Recht den Bau eines Bürokomplexes im Wert von 64 Mio. Euro per Handschlag beauftragen, für die auch nur einen Tag dauernde Überlassung eines Industriehelfers mit einem Auftragsvolumen von max. 100,00 Euro muss jedoch ein schriftlicher Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen werden, der von beiden Parteien unterschrieben werden muss.
  • Die genaue Form Das Schriftformerfordernis gem. §§ 12 Abs. 1 AÜG, 126 BGB macht es erforderlich, dass sowohl ein Vertreter des Kunden als auch ein unterschriftsberechtigter Vertreter des Zeitarbeitsunternehmens auf derselben Urkunde, d.h. auf demselben Stück Papier unterzeichnen.
    Hierfür genügt der Austausch eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages per Telefax nicht.
    In diesem Falle unterzeichnen die beiden Vertragsparteien nicht dieselbe Urkunde, vielmehr unterzeichnet zunächst das Zeitarbeitsunternehmen den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag im Original, während der Kunde nur noch die nach der Telefax-Übermittlung bei ihm ausgedruckte Kopie des Originals unterzeichnet.
    Ein nur per Telefax geschlossener Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist demnach ebenfalls unwirksam.
    Im Sinne des Schriftformerfordernisses des § 12 Abs. 1 AÜG ist eine E-Mail darüber hinaus ein juristisches Nichts.
    Zwar ist nach §§ 126, 126 a BGB auch der Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrag per elektronischer Form möglich. Eine solche elektronische Form setzt jedoch voraus, dass die Anforderungen des sog. Signatur-Gesetzes erfüllt sind.
    Hierfür ist es erforderlich, dass sowohl der Kunde als auch das Zeitarbeitsunternehmen über die entsprechende Soft- und Hardware verfügen, was in der Praxis nahezu ausgeschlossen sein dürfte.

Lösungen zur Flexibilisierung

Wenn man betrachtet, in welchem großen Umfang einzelne Unternehmen mittlerweile Zeitarbeitspersonal in Anspruch nehmen und wie kurzfristig dabei zum Teil Mitarbeiter angefordert werden, so wird deutlich, dass es nicht praktikabel ist, für jeden einzelnen Mitarbeiter einen gesonderten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu schließen, in dem sämtliche vereinbarten Vertragsinhalte enthalten sind.

Es bietet sich daher an, die Inhalte des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages – soweit wie irgend möglich – in einen grundlegenden Rahmenvertrag aufzunehmen, in den typischerweise die Klauseln über

  • die Qualifikation des/der zu überlassenden Mitarbeiter/s,
  • die Vergütung des Zeitarbeitsunternehmens,
  • die Haftungsregelungen,
  • die Regelungen über die Kündigung eines einzelnen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages,
  • die Bestimmungen zur Sicherung des Arbeitsschutzes sowie
  • die Zahlungsbedingungen aufgenommen werden sollten.

Hinsichtlich der Qualifikation des/der zu überlassenden Mitarbeiter/s als auch bei der Vergütung des Zeitarbeitsunternehmens können die in Betracht kommenden Qualifikationen jeweils definiert und mit einem Schlüsselwort belegt werden.

Entsprechendes gilt für die zu vereinbarenden Vergütungssätze, die nicht für jeden Mitarbeiter individuell bestimmt werden müssen, sondern für eine bestimmte Qualifikation abstrakt festgelegt werden können. Auf diese Weise ist bei Überlassung des einzelnen Mitarbeiters lediglich noch erforderlich, diesem Mitarbeiter ein Schlüsselwort (z.B. Schweißer) zuzuordnen, über die allgemeinen Regelungen des Rahmenvertrages ist dann definiert, welche Qualifikationsanforderungen dieser Mitarbeiter erfüllen muss und welcher Stundenverrechnungssatz für diesen gilt.

Zur Durchführung des vorstehend beschriebenen Rahmenvertrages muss sodann wiederum ein individueller Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen werden, der den zu besetzenden Einsatz konkret erfasst.
Dabei sind wiederum zwei unterschiedliche Gestaltungen denkbar.
Zum einen kann je Mitarbeiter ein einzelner Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen werden. Daneben ist es möglich, z.B. wöchentlich eine Mitarbeiter-Einsatzliste zu erstellen, in der die Einsätze der bereits disponierten Mitarbeiter für die folgende Woche gesammelt aufgeführt werden.

Sowohl der einzelne Arbeitnehmerüberlassungsvertrag je Mitarbeiter als auch die Mitarbeiter-Einsatzliste muss jedoch sowohl von dem Kunden als auch von dem Zeitarbeitsunternehmen im Original unterzeichnet werden, da – wie oben dargestellt – der Abschluss eines schriftlichen Rahmenvertrages nicht genügt.

Fazit

Für den Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages gelten strenge Formvorschriften, deren Notwendigkeit der Gesetzgeber gelegentlich nochmals überdenken sollte.

Die vorstehend aufgezeigten Beispiele zeigen jedoch, dass sowohl der Kunde als auch das Zeitarbeitsunternehmen gut daran tun, diese gesetzlichen Formerfordernisse genauestens zu beachten.

Die vorstehenden Beispiele zeigen insbesondere, dass ein formunwirksamer Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht durch tatsächliche Durchführung und Zahlung des Kunden geheilt wird.

Eine auf einen unwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geleistete Zahlung kann der Kunde nachträglich wieder zurückfordern; ein Haftungsrisiko wird sich überdies erst nach Durchführung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages realisieren, so dass insbesondere das Risiko des Kundenunternehmens stets erhalten bleibt.

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