BAG zur Zulässigkeit von Vertragsstrafen bei Nichtantritt der Arbeitsstelle

Vertragsstrafenabreden wurden bislang, nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB), grundsätzlich für zulässig erachtet (BAG, Urteil v. 23.5.1984, 4 AZR 129/82), soweit nachfolgend skizzierte Voraussetzungen erfüllt waren.

Vertragstrafen müssen in besonderem Maß den allgemeinen Grundsätzen der Bestimmtheit und Klarheit entsprechen (LAG Berlin, Urteil v. 22.5.1997, 1 Sa 4/97).

In einer Strafabrede muss nicht nur die zu leistende Strafe bzw. der Strafrahmen klar festgelegt, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung ihrem Inhalt nach so eindeutig bezeichnet sein, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einrichten kann.

Wird die Vertragsstrafe für den Fall des Vertragsbruchs vereinbart, wird regelmäßig nur der Fall erfasst, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich und rechtswidrig die Arbeit nicht aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Vertragszeit oder Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet.
Soll auch die vom Arbeitnehmer schuldhaft veranlasste Arbeitgeberkündigung umfasst sein, muss dies ausdrücklich vereinbart sein.

Eine Klausel, die lediglich pauschal eine Vertragsstrafe für Vertragsverletzungen vorsieht, ist unwirksam.

Auch die Höhe der Vertragsstrafe muss feststehen, wobei es zulässig ist, eine Höchstgrenze zu bestimmen.

Mit In-Kraft-Treten der Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 findet das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen auch – wenngleich nur eingeschränkt – auf Arbeitsverträge Anwendung.

Strafabreden in vorformulierten Arbeitsverträgen unterliegen nunmehr einer Inhaltskontrolle nach den §§305 ff. BGB, wobei die Besonderheiten des Arbeitsrechts angemessen zu berücksichtigen sind, §310 IV 2 BGB.
Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen sind nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat. Deshalb ist es z.B. zweifelhaft, ob mit Vertragsstrafen überhaupt Verstöße gegen Nebenverpflichtungen in einem Arbeitsvertrag zu Lasten des Arbeitnehmers sanktioniert werden können.
Zulässig ist es in jedem Fall, Strafabreden bei Vertragsbruch, bei Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot und beim Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu vereinbaren.
Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers ist in jedem Fall (nur) dann anzuerkennen, wenn durch das strafbewehrte Verhalten des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber typischerweise ein nicht unerheblicher Schaden entsteht und der Nachweis des Schadens bzw. seiner Höhe im Allgemeinen nur schwer oder überhaupt nicht zu erbringen ist.
Die Vereinbarung von Vertragsstrafen für den Fall der Nichtaufnahme der Tätigkeit oder vorzeitigem, vom Arbeitnehmer verschuldeten Ausscheiden war in der betrieblichen Praxis üblich und zulässig.

Das BAG hat sich erneut mit dieser Problematik, unter Berücksichtigung der verschärften Kriterien der allgemeinen Geschäftsbedingungen, beschäftigt.

Streitig war, ob Vertragsstrafenvereinbarungen nunmehr aufgrund des Klauselverbots gemäß §309 Nr. 6 BGB (Verbot von Vertragsstrafen) unzulässig sind.

Das BAG hat mit Urteil vom 04.03.04 (8 AZR 196/03) entschieden, dass Vertragsstrafeversprechen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Arbeitsrecht im Sinne von §310 IV 2 BGB, für den Fall der Lösung vom Arbeitsverhältnis im Arbeitsrecht nicht grundsätzlich unzulässig sind, da der Arbeitnehmer – im Gegensatz zu anderen Schuldnern – nicht gemäß §888 III ZPO zur Erbringung der persönlich geschuldeten Leistung gezwungen werden kann.

Maßgeblich bleibt weiterhin, dass der Arbeitnehmer nach dem Gebot von Treu und Glauben nicht unangemessen benachteiligt wird.
Andernfalls ist die Vertragsstrafe unwirksam, §307 BGB.

Die Unangemessenheit kann u.a. in einem Missverhältnis zwischen der Pflichtverletzung und der Höhe der Vertragsstrafe liegen.
Dies ist nach BAG z.B. der Fall, wenn die Vertragsstrafe bei Nichtantritt der Arbeit ein Monatsbruttogehalt beträgt, wenngleich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit nur zweiwöchiger Kündigungsfrist möglich wäre.

Zu beachten ist, dass die unangemessene Höhe der Vertragsstrafe zur endgültigen Unwirksamkeit der Regelung führt. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe durch das Gericht auf eine angemessene Höhe ist nicht möglich. (Urteil vom 04.03.2004, 8 AZR 196/03)

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