Erste Nachbesserung für das AGG beschlossen

Nur zwei Monate nach seinem Inkrafttreten hat der Bundestag eine Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beschlossen.

Korrigiert werden neben offensichtlichen Pannen des Gesetzgebers auch zwei Bestimmungen zur Diskriminierung wegen des Alters.

Bereits unmittelbar nach der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wurde vielfach Kritik an der handwerklichen Qualität des Gesetzes geäußert.

Am 19.10.2006 hat der Bundestag nun „still und heimlich" im Wege eines sog. Huckepack-Gesetzes Änderungen am AGG verabschiedet.

Versteckt in Art. 8 des „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes" (Drs. 16/1936; 16/3007) wurden Änderungen am AGG beschlossen, die nun dem Bundesrat zugeleitet werden (nächster möglicher Sitzungstermin 24.11.2006) und am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten sollen – dies könnte also noch in diesem Jahr der Fall sein.

Die Nachbesserungen werfen auch neue Fragen auf:

  1. Zunächst wird in § 20 Abs. 1 und 2 AGG bzgl. des allgemeinen Zivilrechtsverkehrs wie erwartet das Kriterium der Weltanschauung gestrichen und damit ein gesetzgeberischer Redaktionsfehler behoben.
  2.  Das in § 11 Abs. 1 S. 6 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) verankerte Recht der Antidiskriminierungsverbände zur Prozessvertretung benachteiligter Arbeitnehmer fällt nun auch offiziell weg.
    Gleiches gilt für die entsprechende Regelung im Sozialgerichtsgesetz (§ 73 Abs. 6 S. 5 SGG).
    Beide Regelungen standen bisher in klarem Widerspruch zu § 23 Abs. 2 AGG, der Antidiskriminierungsverbänden lediglich das Recht gibt, als „Beistände" Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten.
  3. Die für die Personalpraxis wichtigste Änderung betrifft § 10 AGG, der als spezieller Rechtfertigungsgrund bestimmte Benachteiligungen wegen des Alters erlaubt.
    In § 10 Satz 3 AGG wurden die Nummern 6 und 7 ersatzlos gestrichen.
    Betriebsbedingte Kündigung:
    Nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG sollte erlaubt sein „eine Berücksichtigung des Alters" bei der Sozialauswahl anlässlich einer betriebsbedingten Kündigung im Sinne des § 1 des Kündigungsschutzgesetzes, soweit dem Alter kein genereller Vorrang gegenüber anderen Auswahlkriterien zukommt, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls und die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Beschäftigten, insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden.
    Sonderkündigungsschutz:
    § 10 S. 3 Nr. 7 AGG erlaubte „die individual- oder kollektivrechtliche" Vereinbarung der Unkündbarkeit von Beschäftigten eines bestimmten Alters und einer bestimmten Betriebszugehörigkeit, soweit dadurch nicht der Kündigungsschutz anderer Beschäftigter im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes grob fehlerhaft gemindert wird.

Aus Sicht des Gesetzgebers ist die Streichung der Nummern 6 und 7 in § 10 AGG insofern konsequent, als das AGG (und damit auch § 10 AGG) gemäß § 2 Abs. 4 AGG auf Kündigungen gar keine Anwendung finden soll.
Aus Gesetzgebersicht mussten die Regelungen von § 10 Nr. 6 und 7 AGG also von vornherein leerlaufen.
Durch ihre Streichung untermauert der Gesetzgeber die von ihm gewollte vollständige Herausnahme von Kündigungen aus dem Anwendungsbereich des AGG. Regelung europarechtswidrig?

Dagegen halten nahezu alle Arbeitsrechtsexperten die Herausnahme von Kündigungen aus dem Diskriminierungsschutz durch § 2 Abs. 4 AGG für europarechtswidrig.

Dieselbe Auffassung wird auch überwiegend hinsichtlich der Bestimmung des § 2 Abs. 2 S. 2 AGG vertreten, nach der „Für die betriebliche Altersvorsorge" das Betriebsrentengesetz gilt.
Auch hier lautet die Kritik, dass die betriebliche Altersvorsorge entgegen den Vorgaben des europäischen Rechts aus dem Diskriminierungsschutz des AGG vollständig ausgeklammert wird.

Stellt sich die Frage, wieso der Gesetzgeber jetzt nicht auch den § 10 Nr. 4 AGG gestrichen hat, wonach „die Festsetzung von Altersgrenzen" bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit erlaubt sein sollen.

Auch diese Vorschrift müsste aus Gesetzgebersicht wegen der durch § 2 Abs. 2 S. 2 AGG vorgeschriebenen Unanwendbarkeit des AGG auf die betriebliche Altersvorsorge eigentlich leer laufen.

Fazit:

Den Stein des Anstoßes, nämlich die Bereichsausnahmen für Kündigungen nach § 2 Abs. 4 AGG und für die betriebliche Altersversorgung nach § 2 Abs. 2 S. 2 AGG, hat der Gesetzgeber nicht beseitigt.

Für die Personalpraxis gilt es insofern, die aktuelle Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung im Auge zu behalten.

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