LAG Düsseldorf: Keine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Verstoß gegen Informationsgebot zur unverzüglichen Meldepflicht

Der Verstoß des Arbeitgebers gegen das Informationsgebot

nach § 2 II 2 Nr. 3 SGB III, den Arbeitnehmer frühzeitig über die Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung beim Arbeitsamt zu informieren, löst weder unmittelbar noch unter dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers wegen der dem Arbeitnehmer entstandenen Minderung des Arbeitslosengeldes aus.

LAG Düsseldorf, Urt. v. 29.9.2004 – 12 Sa 1323/04 (Vorinstanz: ArbG Düsseldorf, Urt. v. 14.7.2004 – 4 Ca 2731/04)
 

Kurzsachverhalt:

Der Kl. verlangt mit der Begründung, dass die Bekl. seine Schadlosstellung zugesagt und ihn außerdem pflichtwidrig bei der Kündigung nicht auf die Notwendigkeit unverzüglicher Arbeitslosmeldung hingewiesen habe, Ersatz für die von der Arbeitsverwaltung gem. § 140 SGB III verfügte Minderung des Arbeitslosengeldes.
Mit Schreiben vom 29.10.2003 kündigte die Bekl. gegenüber dem Kl. das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.1.2004.
Die Bekl. informierte bei der Kündigung den Kl. nicht über seine Verpflichtung, sich unverzüglich persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden.
Beiden Parteien waren die zum 1.7.2003 mit den Vorschriften der §§ 37b, 140 SGB III eingeführte Regelung über die Pflicht zur Arbeitssuche während eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses und die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen diese Pflicht unbekannt.
Am 6.11.2003 beauftragte der Kl. seinen Prozessbevollmächtigten mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage.
Im Beratungsgespräch wies ihn sein Anwalt darauf hin, sich erst einmal sofort beim Arbeitsamt zu melden. Der Kl. tat dies nicht. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 23.2.2003 legten die Parteien den Kündigungsschutzprozess durch einen Abfindungsvergleich bei.
Am selben Tag meldete sich der Kl. bei dem Arbeitsamt Düsseldorf arbeitsuchend.
Mit Bescheid vom 30.1.2004 minderte die Agentur für Arbeit Düsseldorf gegenüber dem Kl. den Arbeitslosengeldanspruch um 1500 Euro (30 Tage x 50 Euro).
Zur Begründung gab sie an, dass der Kl. es versäumt habe, sich nach Kenntnis der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unverzüglich, i. c. spätestens am 8.11.2003, arbeitsuchend zu melden.
Die Bekl. stellte dem Kl., als er ihr den Bescheid vom 30.1.2004 zeigte, als Hilfe gegenüber der Bundesagentur für Arbeit ein auf den 12.11.2003 rückdatiertes Schreiben aus, wonach „sollte sich beim Gütetermin vor dem ArbG Düsseldorf ein Annahmeverzug ergeben, sie bis zur vollständigen Klärung der Angelegenheit in zweiter Instanz, weiterhin bei vollem Lohnausgleich beschäftigt bleiben und Ihrer normalen Arbeit nachkommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1.3.2004 wies die Bundesagentur für Arbeit den Widerspruch des Kl. zurück.
Der Kl. sah davon ab, die Entscheidung der Bundesagentur durch Klage beim SG anzufechten.

Im April 2004 hat der Kl. die Bekl. vor dem ArbG Düsseldorf auf Schadensersatz in Höhe von 1500 Euro verklagt. Er hat der Bekl. vorgehalten, ihrer Informationsobliegenheit nach § 2 II 2 Nr. 3 SGB III nicht nachgekommen zu sein.
Der im Rahmen der anwaltlichen Beratung am 6.11.2003 erfolgte Hinweis seines Prozessbevollmächtigten habe nicht den Aufmerksamkeitswert und die Warnfunktion einer Information des Arbeitgebers über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung beim Arbeitsamt gehabt.
Im Übrigen habe – so meint der Kl. – die Bekl. ihn mit der rückdatierten Bescheinigung vom 12.11.2003 schadlos stellen wollen.
Die Bekl. hat in Abrede gestellt, dem Kl. irgendwelche Exspektanzen auf eine Schadlosstellung oder Wiedereinstellung eröffnet zu haben, und gemeint, dass der Kl. die verspätete Arbeitslosmeldung selbst zu vertreten habe, zumal er nicht einmal einem entsprechenden Hinweis seines Prozessbevollmächtigten gefolgt sei.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb erfolglos.

Zusammenfassung der Gründe:

Für seinen Anspruch auf Ausgleich der entstandenen Arbeitslosengeldminderung kann der Kl. sich nicht auf eine Sondervereinbarung mit der Bekl. berufen.
Die „Bescheinigung vom 12.11.2003 gibt inhaltlich nichts dafür her, dass die Bekl. ihm zusagte, ihn schadlos zu stellen, falls die Bundesagentur für Arbeit an ihrer Entscheidung, das Arbeitslosengeld zu mindern, festhalten würde.
Wenn die Bekl. dem Kl., wie dieser behauptet, mit der Bescheinigung eine Argumentationshilfe gegenüber der Bundesagentur geben wollte, so erschöpft sich die Erklärungsbedeutung ihres Verhaltens in der Erweisung einer Gefälligkeit.
Hingegen war damit nicht die (weitergehende) Zusage der Schadlosstellung verbunden.
Die Bekl. hatte – für den Kl. erkennbar – keine Veranlassung, sich zum Ersatz der Minderung des Arbeitslosengeldes zu verpflichten, denn sie ging davon aus, dass die ordnungsgemäße Arbeitslosmeldung Sache des Kl. und dass dieser von Anfang an anwaltlich beraten war.

Ein Schadensersatzanspruch ist weder aus §§ 280, 241 II BGB noch aus § 823 II BGB begründbar.

Der Verstoß gegen das Informationsgebot nach § 2 II 2 Nr. 3 SGB löst jedoch weder unmittelbar noch unter dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers wegen der dem Arbeitnehmer entstandenen Minderung des Arbeitslosengeldes aus.

Aus § 2 II SGB III können keine konkreten Rechtsfolgen bei Obliegenheitsverletzungen abgeleitet werden.
Die Ambiguenz des Gesetzeswortlauts (Satz ‚ „Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen) macht deutlich, dass an dieser Gesetzesstelle gerade und nur eine programmatische Zielvorstellung verkündet und nicht mehr als ein Appell an Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerichtet wird.
Indessen werden weder bestimmte Verhaltenspflichten begründet noch Pflichtverstöße mit sozial- oder arbeitsrechtlichen Sanktionen verbunden. Die konkrete Statuierung und Ausgestaltung von Handlungspflichten und von Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen findet vielmehr erst in nachfolgenden, spezifischen Regelungen statt, so in § 37 b SGB III und § 140 SGB III .
Legt daher § 2 II SGB III dem Arbeitgeber keine konkreten und verbindlichen Pflichten auf, kann diese Norm auch nicht für die Annahme herhalten, dass die allgemeine arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers durch die Pflicht, den Arbeitnehmer über dessen Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitslosmeldung zu informieren, konkretisiert werde.

Die Informationsobliegenheit nach § 2 II Nr. 3 SGB III ist in den allgemeinen Appellcharakter der Gesetzesvorschrift eingebettet.
Indem § 2 II SGB III weder Arbeitgeberpflichten noch Arbeitnehmerrechte nach Inhalt und Umfang konkret und verbindlich festlegt, wirkt er auf die arbeitsvertragliche Pflichtenstruktur nicht dergestalt ein, dass vorschriftswidriges Verhalten Schadensersatzansprüche begründen kann.

Das Gesetz nimmt dem Arbeitnehmer nicht die Selbstverantwortung ab, sich unverzüglich arbeitsuchend zu melden (§ 37b), legt die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen diese Pflicht ihm auf (§ 140) und verlagert diese nicht auf den Arbeitgeber.

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