Die aktuelle Rechtsprechung zur Abfindung nach § 1a KSchG von: Redaktion arbeitsrecht.de
Mit dem gesetzlich verankerten Anspruch auf eine Regelabfindung soll den Arbeitsvertragsparteien ein Standardverfahren zur Abwicklung der Situation nach einer Kündigung zur Verfügung gestellt werden, dem Arbeitgeber aber ebenso wie dem Arbeitnehmer freigestellt bleiben, ob er diesen Weg gehen will.
Normiert ist der gesetzliche Anspruch auf eine Regelabfindung in § 1a KSchG.
Hiernach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 0,5 (Brutto-) Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist Kündigungsschutzklage erhebt.
Für die Entstehung des Anspruchs kommt es entscheidend darauf an, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung auf die Betriebsbedingtheit der Kündigung und den Abfindungsanspruch bei Verstreichenlassen der Klagefrist hinweist.
Der Arbeitnehmer seinerseits muss lediglich untätig bleiben, in dem er die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG ungenutzt lässt.
In seiner Entscheidung vom 13.12.2007 hatte sich das BAG (2 AZR 971/06) mit dem Fall zu befassen, dass eine Arbeitnehmerin zunächst gegen ihre betriebsbedingte Kündigung vorgehen wollte, sich dann aber anders entschied.
Der Arbeitnehmerin wurde nach Rückkehr aus der Elternzeit seitens der Arbeitgeberin ein Angebot zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung unterbreitet.
In der Folgezeit verhandelten die Parteien ergebnislos über die Beendigungsvereinbarung.
Die Arbeitgeberin sprach dann eine Kündigung aus, die ein Abfindungsangebot nach § 1a KSchG enthielt.
Die Arbeitnehmerin erhob hiergegen Kündigungsschutzklage, jedoch gerichtet gegen die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin.
Nachdem sie ihren Fehler bemerkt hatte, nahm sie die Klage zurück und erhob erneut eine Klage gegen die jetzige Arbeitgeberin verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung, da die Klagefrist des § 4 KSchG inzwischen verstrichen war.
Anschließend zog sie auch diese Klage und den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ebenfalls zurück.
Nachdem das Arbeitsgericht Potsdam der Klage stattgegeben, das LAG Brandenburg sie auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen hatte, wurde nun das BAG damit befasst.
Die Entscheidung des BAG Auch das BAG mochte der Klägerin nicht zu einem Abfindungsanspruch verhelfen und bestätigte mit seinem Urteil die bislang schon in der Literatur überwiegend vertretene Meinung zu dieser Fallkonstellation.
Es kam zu dem Ergebnis, dass sowohl die Erhebung der Kündigungsschutzklage als auch der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung dem Abfindungsanspruch aus § 1a KSchG entgegenstehen.
Der Abfindungsanspruch entsteht nach dem Wortlaut der Regelung nicht, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung klageweise angreift. Dies gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte Kündigungsschutzklage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung.
Zwar regelt § 1a Abs. 1 KSchG diesen Fall nicht ausdrücklich.
Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung folgt aber, dass ein Anspruch nach § 1a Abs. 1 KSchG mit der Antragstellung auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entfällt. Der Arbeitgeber sähe sich ansonsten durch den nachträglichen Klagezulassungsantrag nunmehr doch mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert, die er gerade mit dem Angebot einer Abfindungszahlung vermeiden wollte.
Die – alsbaldige – Rücknahme des Antrags auf nachträgliche Zulassung und die Rücknahme der zweiten Kündigungsschutzklage führt auch zu keinem anderen Ergebnis.
Durch die Rücknahme der Kündigungsschutzklage können jedenfalls die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht mehr erfüllt – oder plastischer geheilt – werden. Daran ändert auch § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO nichts, wonach der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, wenn die Klage zurückgenommen wird.
Die Rücknahmefiktion würde das gesetzgeberische Ziel konterkarieren, einen Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung nur im Falle der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu begründen.
Dem widerspräche es, wenn der Arbeitnehmer zunächst die Entwicklung des Kündigungsschutzprozesses abwarten und die Klage bei sich abzeichnender Erfolglosigkeit zurücknehmen könnte, um noch in den Genuss der angebotenen Abfindung kommen zu können.
Im zweiten – durch das BAG entschiedenen – Streitfall (v. 13.12.2007 – 2 AZR 807/06) hatte die Beklagte dem Kläger aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gekündigt und ihm im Kündigungsschreiben mitgeteilt, er könne eine Abfindung beanspruchen, falls er die Klagefrist verstreichen lasse.
In einer dem Kündigungsschreiben beigefügten Stellungnahme des Betriebsrates war ein handschriftlicher, nicht unterzeichneter Vermerk des Betriebsratsvorsitzenden enthalten, wonach eine Abfindung von 8.000,00 Euro vereinbart sei. Der Kläger erhob gegen die Kündigung keine Klage. Die Beklagte zahlte an ihn 8.000,00 Euro.
Der Kläger argumentierte, nach § 1a KSchG stünden ihm 0,5 Monatsverdienste je Beschäftigungsjahr und damit (rechnerisch unstreitig) weitere rund 4.000,00 Euro zu, die er nun klageweise geltend machte.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, wobei das LAG Nürnberg dem Kläger die Geltendmachung einer Abfindungszahlung in der sich aus § 1a Abs. 2 KSchG ergebenden Höhe nach Treu und Glauben – wegen der bereits erhaltenen 8.000,00 Euro – verwehrte.
Die Entscheidung des BAG Das BAG hat die Beklagte zur Zahlung von weiteren 4.000,00 Euro verurteilt.
Es hat der Beklagten Versäumnisse bei der Formulierung des Abfindungsangebotes angemahnt, die nun zu ihren Lasten gehen.
Dass die Abfindung geringer als der in § 1a KSchG vorgesehenen Höhe ausfallen sollte, ist aus dem Kündigungsschreiben nicht hinreichend deutlich erkennbar geworden.
Zwar schließt § 1a KSchG nicht generell aus, dass die Parteien eine niedrigere Abfindung als den Regelbetrag von 0,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr vereinbaren können.
Möchte der Arbeitgeber eine geringere als die gesetzliche Abfindung anbieten, so muss er aber deutlich und unmissverständlich darauf hinweisen, dass es sich um kein Angebot nach § 1a KSchG handelt.
Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, ob der Arbeitgeber ihm ein Angebot nach § 1a KSchG oder ein davon abweichendes Angebot unterbereitet hat. Er muss wissen, worauf er sich einlässt.
Andernfalls könnte sich erst bei Zahlung der Abfindung nach Ablauf der Kündigungsfrist herausstellen, dass der Arbeitgeber ein von § 1a Abs. 2 KSchG abweichendes Angebot unterbreitet haben wollte. Der Arbeitnehmer hätte dann wegen Fristversäumnis häufig keine oder eine nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich prüfen zu lassen.
Das BAG hat jedoch eingeräumt, dass die Erklärung der Beklagten zumindest missverständlich war. So könnte sich ein Hinweis darauf, dass sie eine geringere Abfindung zahlen wollte, aus dem beigefügten Vermerk des Betriebsrats ergeben.
Eindeutig war dies jedoch aus mehreren Gründen nicht:
Zum Einen bot sich auch an, das Kündigungsschreiben im Zusammenhang mit dem Vermerk dahin zu verstehen, eine Abfindung von 8.000,00 Euro werde in jedem Falle, also auch bei Klageerhebung, gezahlt.
Zum Anderen war der Vermerk aus Sicht des Klägers eine Erklärung des Betriebsrats, nicht der Beklagten.