Das neue AGG wirft eine Fülle von Fragen auf.
Eine davon betrifft die Handhabung diskriminierender Stellenanzeigen durch Personalvermittler.
Dieser Beitrag zeigt auf, wie der benachteiligte Bewerber seine Ansprüche nach § 15 AGG effektiv durchsetzen kann.
I. Einleitung
Immer öfter überlassen Arbeitgeber die Rekrutierung neuer Arbeitnehmer sogenannten Personalvermittlern, die in der Regel die Stellenanzeige schalten und für den Auftraggeber eine Vorauswahl der Bewerber treffen.
Solche Stellenanzeigen
- sind ein Haftungsrisiko für den Arbeitgeber, wenn diese den Bewerber aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe benachteiligen.
- Die Rechtsprechung rechnet nämlich diskriminierende Stellenanzeigen durch Personalvermittler in der Regel dem auftraggebenden Arbeitgeber zu.
- Das Problem für den Praktiker liegt nun darin, dass der benachteiligte Bewerber den hinter dem Personalvermittler stehenden Arbeitgeber nicht kennt.
Ohne die Auskunft des Personalvermittlers lässt sich ein Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG gegen den Arbeitgeber nicht realisieren.
Versagt an dieser Stelle etwa der Diskriminierungsschutz?
II. Ansprüche des benachteiligten Bewerbers nach § 15 AGG § 15 I AGG
Ansprüche des benachteiligten Bewerbers nach § 15 AGG § 15 I AGG verpflichtet den Arbeitgeber zur Leistung von Schadenersatz, wenn dieser gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 I AGG verstößt und der Bewerber dadurch einen Schaden erleidet.
Handelt es sich um einen Schaden nichtvermögensrechtlicher Art, so kann der benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld vom Arbeitgeber nach § 15 II AGG verlangen.
Für abgelehnte Bewerber ist allein der Entschädigungsanspruch interessant, weil Vermögensschäden auf Grund einer diskriminierenden Stellenanzeige kaum auftreten dürften.
Wer Arbeitgeber und damit Adressat der Ansprüche aus § 15 AGG ist, ergibt sich aus § 6 II AGG.Der Personalvermittler zählt nicht dazu.
Wenn der Personalvermittler eine diskriminierende Stellenanzeige schaltet, haftet er somit nicht nach § 15 AGG.
Seine Haftung ergibt sich aus § 823 II BGB i.V. mit § 7 I AGG. Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche nach § 15 AGG sind ausschließlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen.
Dies folgt aus der Systematik des Gesetzes, das in § 15 I AGG ausdrücklich den Arbeitgeber als Anspruchsgegner erwähnt.
§ 15 II AGG nennt den Arbeitgeber dagegen nicht, was insoweit unschädlich ist, weil § 15 V AGG ausdrücklich klarstellt, dass die Vorschrift des § 15 AGG nur von Ansprüchen gegen den Arbeitgeber handelt.
Den interessanten Entschädigungsanspruch kann der benachteiligte Bewerber also nicht gegen den Personalvermittler geltend machen. Der Bewerber ist deshalb auf die Auskunft des Personalvermittlers angewiesen.
III. Auskunftsanspruch gegen Personalvermittler
Wenn der Personalvermittler dem abgelehnten Bewerber seinen Auftraggeber nicht mitteilt, scheint es mit der Effektivität des neuen AGG zu hapern. Der Bewerber weiß dann nicht, gegen wen er den Entschädigungsanspruch richten soll. Fraglich ist deshalb, ob der Bewerber einen Auskunftsanspruch gegen den Personalvermittler hat. Einen solchen Anspruch muss es zweifellos geben, weil der benachteiligte Bewerber ansonsten eine effektive Sanktion des AGG – nämlich den Entschädigungsanspruch – nicht durchsetzen könnte.
Aus welcher Stelle im Gesetz man diesen Auskunftsanspruch dogmatisch herleitet, kann dahinstehen, weil sich ein solcher zumindest aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleiten lässt.
Der Bewerber hat demnach zwar einen Auskunftsanspruch gegen den Personalvermittler, doch dieser nützt ihm nur dann etwas, wenn er die Auskunft rechtzeitig erhält. Ansonsten ist nämlich der Entschädigungsanspruch aus § 15 II AGG ausgeschlossen (§ 15 IV AGG).
IV. Einstweilige Verfügung
Die Zwei-Monats-Frist des § 15 IV AGG ist eine Ausschlussfrist.
Wenn der Bewerber seinen Entschädigungsanspruch nicht innerhalb dieser Frist schriftlich beim Arbeitgeber geltend macht, verliert er den Anspruch.
Um dies zu verhindern, kann der Bewerber im Wege einer einstweiligen Leistungsverfügung gerichtet auf Auskunft gegen den Personalvermittler vorgehen.
Die Leistungsverfügung wird aus § 940 ZPO analog hergeleitet und ist ausnahmsweise auf endgültige Befriedigung gerichtet.
Normalerweise ist ein Auskunftsanspruch mit einer einstweiligen Verfügung nicht durchsetzbar, es sei denn, dass der Verfügungskläger auf die Auskunft angewiesen und effektiver Rechtsschutz durch eine Auskunftsklage nicht gewährleistet ist. So ist es hier.
Ohne rechtzeitige Auskunft durch den Personalvermittler ist der Entschädigungsanspruch wertlos.
Eine normale Auskunftsklage dauert in der Regel zu lange.
Doch was kann der benachteiligte Bewerber unternehmen, wenn sich der Personalvermittler trotz Verurteilung zur Auskunft dem Urteil nicht beugt?
Mit einem Antrag nach § 888 I ZPO ist dem Bewerber nicht unmittelbar geholfen.
Einen möglichen – und nebenbei äußerst effektiven – Ausweg hält § 61 II ArbGG6 parat.
Mit diesem Antrag kann das Gericht für den Fall, dass der Personalvermittler seiner Auskunftsverpflichtung nicht innerhalb einer bestimmten Frist nachkommt, eine Entschädigung nach freiem Ermessen bestimmen. D
as Gericht wird sich bezüglich der Länge der Frist daran orientieren, wie viel Zeit dem Bewerber noch übrig bleibt, um seinen Entschädigungsanspruch innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 IV AGG beim Arbeitgeber geltend zu machen.
Bei der gegen den Personalvermittler festzusetzenden Entschädigung wird das Gericht den Rahmen des § 15 II AGG (bis zu drei Monatsgehälter) beachten.
V. Fazit
Der Diskriminierungsschutz nach dem neuen AGG versagt keinesfalls. Jedoch bedarf es bei diskriminierenden Stellenanzeigen von Personalvermittlern im Falle der Auskunftsverweigerung eines Umweges über die einstweilige Leistungsverfügung kombiniert mit einem Antrag nach § 61 II ArbGG.
Nur so lässt sich der für den benachteiligten Bewerber interessante Entschädigungsanspruch aus § 15 II AGG effektiv durchsetzen.
- BGBl I, 1897ff.
- Vgl. die bei Hunold, NZA-RR 2006, 561 (562), aufgeführten Einzelfälle.
- So zuletzt BAG, NZA 2004, 540; nach Bauer/Evers, NZA 2006, 893 (897f.) ist insofern ein „Kontext zwischen Verstoß (gegen das AGG) und betrieblicher Tätigkeit notwendig.
- In Betracht kommt ein Auskunftsanspruch aus § 666 BGB, was allerdings voraussetzt, dass das Rechtsverhältnis zwischen Bewerber und Personalvermittler als Auftragsverhältnis zu qualifizieren ist.
- Musielak, ZPO, 4. Aufl. (2005), § 940 Rdnr. 18. 6Vgl. § 510b ZPO.