Fristlose Kündigung bei Internetnutzung?

Private Internetnutzung als Grund für eine außerordentliche Kündigung?

Obgleich das Internet bereits zu Ende der 90iger Jahre an erheblicher Bedeutung für die Arbeitswelt gewonnen hatte, gab es lange Zeit keine dezidierte obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit eine übermäßige private Internetnutzung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.

Das Bundesarbeitsgericht hat erstmals mit seiner Entscheidung vom 7. Juli 2005 Licht in dieses Dunkel gebracht und nunmehr jüngst mit der Entscheidung vom 27. April 2006 (2 AZR 386/05) diese Rechtsprechung bestätigt und weiter konkretisiert.

Hintergrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. April 2006

Der jüngst vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Fall beschäftigte sich mit einem Arbeitnehmer des Bundesamts für Wehrtechnik und Beschaffung, dem an seinem Arbeitsplatz ein PC mit Internetnutzung zur Verfügung gestellt worden war.
Der Internetzugang durfte nach der einschlägigen Dienstvorschrift nicht zu privaten Zwecken genutzt werden.
Hierauf wies der Arbeitgeber alle Internetnutzer in regelmäßigen Abständen von 2 Jahren hin und ließ sich diese Information zudem von den Mitarbeitern schriftlich bestätigen. In dieser Belehrung gab es darüber hinaus auch noch einen ausdrücklichen Hinweis auf „arbeitsrechtliche Konsequenzen im Falle des Verstoßes".
Dem Arbeitgeber kam sodann zur Kenntnis, dass der Mitarbeiter zum einen eine Internetseite aufgerufen hatte, auf der sexuelle Handlungen mit Tieren dargestellt worden sind.
Darüber hinaus ergaben entsprechende Recherchen des Arbeitgebers, dass der Klägers innerhalb eines Zeitraums von etwas über 2 Monaten während der Dienstzeit rund 50 Stunden verbotswidrig den Internetzugang privat genutzt hatte und dabei insbesondere pronographische Seiten besucht hatte.

Prüfungsmaßstab des Bundesarbeitsgerichts

Bekanntermaßen prüft das Bundesarbeitsgericht die Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung in zwei Stufen.

In der ersten Stufe ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt – ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles – bereits an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.
Dies ist anerkanntermaßen dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer ein ausdrückliches und fortlaufend wiederholtes Verbot des Arbeitgebers missachtet.
Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts fällt hierunter zum einen das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme, wenn damit die Gefahr einer möglichen Vireninfizierung des Betriebssystems verbunden sein können; wenn es aufgrund der Art der Daten, beispielsweise weil sie strafbare oder pornographische Darstellungen beinhalten, zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann; wenn die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses zusätzliche Kosten verursacht; wenn die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses während der Arbeitszeit erfolgt, weil der Arbeitnehmer während des „Surfens die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht erbringt und insoweit seine Arbeitspflicht verletzt.

Das Bundesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall aufgrund des zeitlichen Umfangs zwischen 15 Minuten und knapp 3 Stunden täglicher Nutzung über einen Zeitraum vom mehr als 2 Monaten die während dieser Nutzung erfolgte Nichterbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung als so wesentlich angesehen, dass es eine außerordentliche Kündigung dem Grunde nach als gerechtfertigt ansah.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es nach Auffassung des Gerichts nicht zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers gehörte, dass während dieser Zeiten die Arbeitsleistung des Klägers gelitten habe.
Vielmehr hat der Arbeitnehmer insoweit zu beweisen, dass er trotz der privaten Beschäftigung weiterhin eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung erbracht hat.

Sonderaspekt: Beschäftigung im öffentlichen Dienst

Das Bundesarbeitsgericht maß darüber hinaus im vorliegenden Fall dem Umstand erhebliche Bedeutung bei, dass es sich hier um einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes handelt.
Diesen Mitarbeitern obliegen gegenüber der Privatwirtschaft gesteigerte Verhaltenspflichten, da insbesondere die Gefahr der Rufbeschädigung hier wohl aufgrund des öffentlichen Interesses ein größeres Ausmaß haben dürfte.

Da das Bundesarbeitsgericht diese Abwägung jedoch nicht im Rahmen der allgemeinen Interessenabwägung wahrnimmt, könnte man durchaus auch dahingehend argumentieren, dass der oben bezeichnete Umfang bereits in der Privatwirtschaft ausreichend ist, um gegebenenfalls einen wichtigen Grund an sich zu konstituieren.

Sonderaspekt: Tarifliche Unkündbarkeit

Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung im Einzelfall ist darüber hinaus bedeutsam, dass das Bundesarbeitsgericht dem Umstand, dass der Mitarbeiter tariflich unkündbar war, keine nähere Bedeutung beimisst.

Denn, so das Bundesarbeitsgericht, die tarifliche Unkündbarkeit wirke sich lediglich auf die ordentliche, nicht aber auf die außerordentliche Kündigung aus.

Hier ist neben den insoweit relevanten Kritierien wie Alter und Betriebszugehörigkeit dem Umstand der durch den Tarifvertrag vermittelten Sonderkündigungsschutz im Rahmen der Einzelabwägung daher keine besondere Bedeutung beizumessen.
Dieser Grundsatz dürfte auch auf andere außerordentliche Kündigungen von tariflich unkündbaren Mitarbeitern – losgelöst von der vorliegenden Fallgruppe des Missbrauchs der privaten Internetnutzung – zu übertragen sein.

Alles in allem dürfte daher nach dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in den Instanzgerichten die Neigung steigen, entsprechende Sachverhalte eher einer außerordentlichen Kündigung zugänglich zu machen.

Schreibe einen Kommentar