Internationaler Standortwettbewerb

Internationaler Standortwettbewerb bedeutet kurz gefasst, dass Staaten (Standorte) um mobile Produktionsfaktoren konkurrieren, um Wirtschaftsleistung und Wohlstand zu steigern. In erster Linie geht es um die Attraktion von Unternehmen in Form von Direktinvestitionen (Standortfrage), aber auch um Finanzanlagen wie Aktien und Wertpapiere sowie um hochqualifizierte Arbeitskräfte. Viele Globalisierungskritiker sehen hierin die Gefahr, dass die Staaten Steuer-, Sozial- und Umweltstandards senken, um die gewünschten Produktionsfaktoren anzuziehen. Wenn aber jedes Land so agiere, würde ein ruinöser Wettbewerb (race to the bottom) in Gang gesetzt, und die Standards würden immer weiter sinken. Letztlich stünden zum Beispiel nicht mehr genügend Steuern und Abgaben zur Verfügung, um Bildung, Infrastruktur und die Sozialsysteme zu finanzieren. Dieses Szenario ist jedoch weder theoretisch zwingend noch lassen sich empirische Hinweise dafür finden. So suchen Unternehmen ihre Standorte nicht nach den niedrigsten Produktionskosten aus, sondern beachten auch die übrigen produktivitätsrelevanten Rahmenbedingungen. Bildung, Infrastruktur wie auch sozialer Friede fördern jedoch tendenziell die Produktivität. Insofern haben Standorte mit höheren Produktionskosten in der Regel bessere Rahmenbedingungen zu bieten. Ein Unternehmen wägt nun ab zwischen diesen beiden Aspekten. Wenn allerdings das Preis-Leistungsverhältnis des Angebots an öffentlichen Gütern zu schlecht ist, entsteht Reformbedarf. Letztlich spricht dies jedoch gegen ein race to the bottom. Die Empirie bestätigt diese Sichtweise. So sind zwar die Steuersätze in vielen Staaten in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt worden. Da aber Ausnahmetatbestände abgeschafft wurden und neues Wachstum entstand, sind die Steuereinnahmen nicht gesunken. Vor allem aber ist der Anteil der Gewinnsteuern von Kapitalgesellschaften an der Wirtschaftsleistung in der OECD und auch in der EU-15 nicht gesunken, wie es die Argumentation der Globalisierungsgegner nahe legen würde, sondern hat sich sogar noch erhöht (Grafik). Auch die Sozialausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sind in vielen Staaten in den vergangenen Jahren noch gestiegen. Im Übrigen hat der internationale Standortwettbewerb auch wichtige Vorteile. So wäre in den Wohlfahrtsstaaten Kontinentaleuropas eine gewisse Senkung der sehr hohen Steuer- oder Sozialstandards nicht schädlich, sondern eher förderlich für ein verbessertes Investitionsklima und damit für Wachstum und Wohlstand. Besonders bedeutsam ist zudem, dass der Standortwettbewerb disziplinierend auf die Politik wirkt. Denn viele als notwendig erachtete Reformen – wie etwa Einsparungen im Staatshaushalt oder Arbeitsmarktreformen – sind wenig populär. Politiker, die alle vier Jahre daran interessiert sind, wiedergewählt zu werden, tun sich folglich schwer, derartige Reformen umzusetzen.

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