Neue Risiken beim Vergleichsschluss

Eine Vielzahl von Verfahren vor den Arbeitsgerichten endet nicht durch ein streitiges Urteil, sondern durch einen Prozessvergleich.

Ein solcher Vergleich kann nicht nur in der Güteverhandlung erfolgen, sondern in jeder Instanz.

Anders als bei einem privatschriftlichen Vergleich kann aus einem Gerichtsvergleich unmittelbar vollstreckt werden.

I. Frühere Rechtslage

Häufig einigt man sich auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, indem entweder eine vorangegangene Kündigung vertraglich bestätigt oder eine Aufhebungsvereinbarung getroffen wird.

Neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden in aller Regel auch zahlreiche weitere Punkte durch einen Vergleich geregelt, beispielsweise die Abgeltung für Urlaub oder Überstunden.

Ein solcher Prozessvergleich kann Anwalts- und Gerichtskosten sowie allen Beteiligten viel Zeit sparen.

In der Vergangenheit war es erforderlich, einen Prozessvergleich bei der Anwesenheit beider Parteien vom Gericht protokollieren zu lassen.
Nach §§ 126 Abs. 4, 127a BGB wird durch eine Protokollierung eine gesetzlich angeordnete Schriftform eingehalten.
Diese Verfahrensweise war nicht selten mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

II. Erleichterte Vergleichsmöglichkeiten

Im Zuge des Justizmodernisierungsgesetzes aus dem Jahr 2004 wurden die Möglichkeiten, einen Prozessvergleich abzuschließen, erweitert.

Nach § 278 Abs. 6 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch einen Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen.

Das Gericht hat das Zustandekommen eines Vergleichs dann nur noch durch einen Beschluss festzustellen.

In diesem Verfahren ist die Anwesenheit der Parteien nicht erforderlich.
Hierin liegt der große Vorteil gegenüber einem Protokollierungstermin. Die Parteien sparen Zeit und die Kosten für die Anreise oder die Bevollmächtigung eines am Ort ansässigen Anwalts.
Weiterhin wird den Parteien dadurch Zeit gegeben, in Ruhe Informationen einzuholen, beispielsweise über etwaige Überstunden oder restliche Urlaubstage.

III. Risiken der Neuregelung

  1. Fallstricke beim Zustandekommen eines Vergleichs

    Nach § 278 Abs. 6 ZPO gibt es zwei Möglichkeiten, einen Vergleich zu schließen.

    So können beide Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten.
    Dies kann zum Beispiel in der Weise geschehen, dass eine Partei ein Schreiben mit dem Wortlaut des zuvor abgestimmten Vergleichstextes an das Gericht schickt und die andere Seite nur noch die Zustimmung erklärt.
    Anschließend stellt der Richter dann per Beschluss das Zustandekommen eines Vergleichs fest.
    Hierbei ist aber als Wirksamkeitsvoraussetzung eines solchen Vergleichs zu beachten, dass der Vorschlag in jedem Falle schriftlich unterbreitet werden muss.
    Die Schriftform setzt nach § 126 Abs. 1 BGB jedoch voraus, dass das jeweilige Schreiben vom Aussteller eigenhändig unterschrieben sein muss. Es reicht also nicht aus, dass dem Gericht ein Telefax zugeleitet wird.
    Dies gilt es zu beachten, da ansonsten Schriftsätze an das Gericht auch gefaxt werden können. I
    m Falle der Einreichung eines Vergleichsvorschlags kommt es aber darauf an, dass ein unterschriebenes Original beim Gericht eingeht.

    Zum anderen ist es auch möglich, dass das Gericht den Parteien einen schriftlichen Vorschlag zukommen lässt.
    Das Gericht entwirft dann den Vergleichstext (gegebenenfalls nach Absprache mit den Parteien), woraufhin die Parteien diesen durch einen Schriftsatz durch ausdrücklich erklärte Zustimmung annehmen können.
    Dies kann auch per Fax erfolgen.
    Im Anschluss daran wird das Zustandekommen eines Vergleichs wiederum per Beschluss bestätigt.
     

  2. Risiko bei gesetzlichen Schriftformerfordernissen

    In der Regel sind Verträge nicht formbedürftig. Sie können also auch mündlich geschlossen werden.
    So bedarf es für die Wirksamkeit eines Vergleichs grundsätzlich nicht der Schriftform.
    Das bedeutet, dass die Einhaltung des obigen Procedere nur für die Wirksamkeit als Prozessvergleich notwendig ist.
    Wird es nicht eingehalten, so kann der Vergleich trotzdem als bloßer Parteivergleich wirksam sein – er ist dann nur nicht aus sich heraus vollstreckbar.

    Für einige besonders wichtige Rechtsgeschäfte schreibt das Gesetz jedoch – unabhängig von § 278 ZPO – besondere Formvorschriften vor.
    So ist für die Wirksamkeit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Form einer Kündigung oder eines Aufhebungsvertrages gemäß § 623 BGB die Schriftform notwendig.
    Das heißt, dass eine Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft gemäß § 126 Abs. 1 BGB unterschrieben sein muss.
    Ein Aufhebungsvertrag als zweiseitiges Rechtsgeschäft muss dementsprechend auf der Vertragsurkunde die Unterschriften beider Parteien tragen (§ 126 Abs. 2 BGB).
    Alternativ ist auch die Unterzeichnung der jeweils für die andere Partei bestimmten – gleich lautenden – Urkunde möglich.

    Angesichts dieser strengen Voraussetzungen stellt sich die Frage, ob ein nach § 278 Abs. 6 ZPO an sich wirksam zustande gekommener Vergleich auch den strengen Formvorschriften des § 623 BGB genügt.
    Wäre dies nicht der Fall, so wäre ein Prozessvergleich hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses formunwirksam.
    Es bestünde das Risiko, dass das Arbeitsverhältnis trotz des Vergleichs nicht beendet wäre.
    Nach dem Wortlaut des § 278 Abs. 6 ZPO genügt ein derart an sich wirksam zustande gekommener Vergleich nicht dem Schriftformerfordernis hinsichtlich einer Aufhebungsvereinbarung. Das bedeutet, dass es bei wortlautgetreuer Auslegung nach der jetzigen Gesetzeslage nicht möglich ist, nach § 278 Abs. 6 ZPO ein Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag zu beenden!
    Denn bei einem so zustande gekommenen Vergleich gibt es keine von beiden Parteien gemeinsam unterschriebene Urkunde – dies ist nach § 126 Abs. 2 BGB aber gerade notwendig.
    Es gibt lediglich die einzelnen Schriftsätze der Parteien sowie den Beschluss, der nur vom Gericht unterschrieben ist.

    Die Neuregelung der Vergleichsmöglichkeiten ist also in Bezug auf vor Gericht getroffene Aufhebungsverträge dem Wortlaut nach wegen Nichteinhaltung der Formvorschrift des § 623 BGB nicht anwendbar.

    Es liegt also eine klare Gesetzeslücke vor, da nicht geregelt ist, dass – wie bei einer Protokollierung nach § 127a BGB – der Beschluss die gesetzliche Schriftform ersetzt.
    Zwar sprechen gute Gründe dafür, § 127a BGB analog auf den gerichtlichen Beschluss anzuwenden.
    Denn Sinn und Zweck der Formvorschriften ist es, die Parteien vor übereilten Schritten zu bewahren. Diesem Zweck wird aber durch die Einschaltung des Gerichts gerade Rechnung getragen.
    Rechtsprechung hierzu existiert jedoch noch nicht. Bis dahin sollte man bei der Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht von der „bequemen Vergleichsmöglichkeit" des § 278 Abs. 6 ZPO Gebrauch machen.
    Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.
    Aus diesem Grunde wurde anlässlich eines von beiden Parteien beabsichtigten Vergleichsschlusses in einem Kündigungsschutzprozess von einem Kammervorsitzenden am Landesarbeitsgericht Köln dringend empfohlen, den Vergleichstext protokollieren zu lassen, um auf jeden Fall die Formvorschriften einzuhalten.

IV. Praktische Hinweise

Damit ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO überhaupt wirksam ist, sollten Schriftsätze stets unterschrieben im Original per Fax an das Gericht geleitet werden.
Geht es bei dem Vergleich um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, so ist den Parteien wegen der unklaren Rechtslage zu empfehlen, von einem Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO Abstand zu nehmen.
Soll dennoch eine Protokollierung vermieden werden, so können die Parteien in Ihren Vorschlagsschreiben an das Gericht zusätzlich eine Vertragsurkunde mit dem Vergleichstext aufzunehmen, welche von beiden Parteien im Original unterschrieben ist.
Damit wird die materiell-rechtliche Schriftform nach § 623 BGB auf jeden Fall gewahrt.

Der Gerichtsbeschluss, mit dem der Vergleich feststellt wird, würde dann zusätzlich noch die Vollstreckbarkeit herbeiführen.
Sollte dies nicht geschehen oder alle Zweifel an der Einhaltung aller Formvorschriften vermieden werden, so empfiehlt es sich, den Gerichtstermin wahrzunehmen und den Vergleich protokollieren zu lassen.

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