Neues zur Überstundenvergütung

Vereinbarungen zu Überstunden, Überstundenvergütung und -pauschalierung finden sich in zahlreichen Tarif- und Arbeitsverträgen.

Die Vielfalt der Regelungsinhalte ist groß:

Es gibt Abreden, nach denen für jede Überstunde eine konkrete Vergütung – gegebenenfalls auch mit Zuschlag – gezahlt wird, Regelungen, nach denen Überstunden nur unter bestimmten Bedingungen vergütet werden, aber auch Pauschalierungsabreden, wonach jegliche oder auch nur ein Teil der Überstunden mit dem gezahlten Grundgehalt abgegolten sein sollen.

Mit einer solchen Pauschalierungsabrede für sämtliche Überstunden hat sich das BAG in einem aktuellen Urteil (28.09.2005, Az: 5 AZR 52/05) auseinandergesetzt.

 


 

Angesichts dieser Entscheidung ist hinsichtlich der Frage des Vergütungsanspruchs nunmehr zu unterscheiden zwischen Überstunden, die bis zur gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden pro Woche (§ 3 ArbZG) geleistet werden, und solchen, die darüber hinausgehen.

Überstunden über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus – die Entscheidung des BAG vom 28.09.2005 Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer als Fleischermeister mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt war.

Nach dem zugrunde liegenden Formulararbeitsvertrag sollten sämtliche Überstunden durch das gezahlte Bruttogehalt von 2.100,00 Euro abgegolten sein.
Der Arbeitnehmer leistete zahlreiche Überstunden, von denen insgesamt 62,5 Arbeitsstunden über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinausgingen.
Nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses verlangte der Arbeitnehmer Vergütung für die 62,5 Arbeitsstunden.

Mit Urteil vom 28.09.2005 entschied das BAG, dass eine formularvertragliche Vereinbarung, nach der sämtliche Überstunden durch das gezahlte Bruttogehalt abgegolten sein sollen, nach ihrem Sinn und Zweck nur die gesetzlich zulässigen Überstunden – also alle Überstunden, die über die vereinbarte Arbeitszeit bis zur Grenze von 48 Stunden geleistet werden – erfasst.

Für Überstunden, die darüber hinaus erbracht werden, kann der Arbeitnehmer nach der neuen Rechtsprechung eine gesonderte Vergütung verlangen, sofern diese Ansprüche nicht verjährt oder aufgrund einer Ausschlussklausel verfallen sind.

Die Entscheidung des BAG bezieht sich also nur auf diejenigen Arbeitsstunden, die 48 Stunden pro Woche überschreiten.
Das Gericht stellte gleichzeitig klar, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf gesonderte Vergütung der Überstunden nicht deswegen ausgeschlossen ist, weil diese für gesetzlich verbotene Arbeit geschuldet wird.
Dies ist für diejenigen Fälle nachvollziehbar und interessengerecht, in denen der Arbeitnehmer auf Weisung oder zumindest mit Einverständnis des Arbeitgebers tätig geworden ist, nicht aber, wenn der Arbeitnehmer von sich aus Mehrarbeit leistet und im Nachhinein dafür Vergütung verlangt. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Differenzierung aus den bislang noch nicht veröffentlichten Urteilsgründen ergibt.

Die neue Rechtsprechung dürfte erhebliche Auswirkungen für die Praxis haben.

Insbesondere bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wird damit zu rechnen sein, dass Arbeitnehmer in Zukunft Abgeltung jedenfalls für solche Überstunden verlangen werden, die die gesetzliche Höchstgrenze überschreiten.

Regelungen im Arbeitsvertrag, dass alle Überstunden durch das Gehalt abgegolten sind, werden jedenfalls im Bereich der Arbeitsstunden über 48 Stunden pro Woche hinaus Vergütungsansprüche nicht mehr verhindern können.

Überstunden bis zur gesetzlichen Höchstgrenze – (Un)Zulässigkeit von Pauschalierungsabreden?

Neben der Frage der Vergütung für gesetzlich verbotene Überstunden stellt sich die Frage, ob eine Pauschalabgeltung oder der Ausschluss einer gesonderten Vergütung für Überstunden bis zur Höchstgrenze von 48 Stunden zulässig ist.

Entsprechende Vertragsabreden, wonach durch die Zahlung der regelmäßigen Vergütung alle oder jedenfalls ein Teil der Überstunden abgegolten sein sollen, waren bislang gängige Praxis.
Auch diese Frage ist angesichts der vorliegenden Entscheidung des BAG nicht mehr eindeutig zu beantworten:
Das BAG hat ausdrücklich offen gelassen, ob es solche Vereinbarungen für wirksam hält.
Insbesondere im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB, nach dem aus der Vertragsklausel genau anzugeben ist, wie viele Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen, bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung auch hierfür strengere Voraussetzungen aufstellen wird.
Denkbar ist beispielsweise, dass in Zukunft in der Vertragsklausel genau anzugeben ist, wie viele Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen.
Denkbar ist auch, dass die Rechtsprechung solche Abgeltungsvereinbarungen insgesamt oder ab einer bestimmten Anzahl von Überstunden für unzulässig erklärt.

Fazit

Wie für zahlreiche andere Bereiche der Vertragsgestaltung, z.B. Ausschlussfristen und Widerrufsvorbehalte, hat die Rechtsprechung nunmehr auch im Bereich der Überstundenvergütung die bisherige Vertragspraxis in Frage gestellt.

Festzuhalten bleibt Folgende:
Für Überstunden, die über die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit hinaus geleistet werden, hat der Arbeitnehmer ungeachtet vertraglicher Pauschalierungsabreden grundsätzlich Anspruch auf Vergütung.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Arbeitsstunden gesetzlich verboten sind.
Angesichts dessen gewinnt der ausdrückliche vertragliche Vorbehalt, dass Überstunden nur dann vergütet werden, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet oder genehmigt worden sind, für die zukünftige Vertragsgestaltung erhebliche Bedeutung.
Des Weiteren dienen auch Ausschlussklauseln dazu, eventuelle Vergütungsansprüche in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen – allerdings nur, wenn diese wirksam sind, insbesondere die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Mindestlänge erfüllen.

Offen ist dagegen die Frage, ob Überstunden bis zur zulässigen Höchstarbeitszeit durch die regelmäßige Vergütung abgegolten werden dürfen. Insoweit bleibt die Entwicklung in der Rechtsprechung genau zu beobachten.

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