Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf nach § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, ansonsten ist die Kündigung unwirksam.
 

1. Allgemein:

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf nach § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, ansonsten ist die Kündigung unwirksam.
Erst wenn eine Zustimmung durch das Integrationsamt erfolgt ist, kann also eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtswirksam ausgesprochen werden. Die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung ist nicht möglich.
Die Kündigung muss im Falle einer Zustimmung des Integrationsamtes nach Zustellung des Bescheides gem. § 88 Abs. 3 SGB IX innerhalb eines Monats durch den Arbeitgeber erklärt werden.
Die Kündigungsfrist beträgt gem. § 86 SGB IX mindestens 4 Wochen.
Ob das Integrationsamt die Zustimmung erteilt oder versagt, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Dabei wägt das Integrationsamt zwischen den Interessen des schwerbehinderten Menschen an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und den Interessen des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten ab.
Das Sozialgesetzbuch IX will mit seinen Regelungen die Nachteile schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen.
Ein Zustimmungserfordernis besteht nach dem direkten Wortlaut des § 90 Abs. 2a SGB IX für solche Arbeitnehmer, die beim Zugang der Kündigung entweder bereits als Schwerbehinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2a SGB IX).
In Bezug auf die Auslegung der Vorschrift des § 90 Abs. 2a SGB IX war seit ihrer Einfügung ins Gesetz umstritten, ob diese Vorschrift auch für diejenigen Arbeitnehmer gilt, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind.
Die Vorschrift des § 90 Abs. 2a SGB IX war ins Gesetz eingefügt worden, um einer missbräuchlichen Erschwerung von Kündigungen zu begegnen.

2. Das Urteil

In seinem Urteil vom 1. März 2007(- 2 AZR 217/06 – Vorinstanz: LAG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 10 Sa 502/05 -) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass auch die einem Schwerbehinderten gleichgestellten Arbeitnehmer vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen sind, wenn sie ihren Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt haben.
Durch diese Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den Streit um die Auslegung des § 90 Abs. 2a SGB IX beendet.

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall war eine Arbeitnehmerin (Klägerin) seit dem Jahr 1995 bei der Beklagten beschäftigt. Am 6. Dezember 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin.Eine Zustimmung des Integrationsamtes hatte die Beklagte nicht eingeholt. Nur wenige Tage zuvor, am 3. Dezember 2004 hatte die Klägerin bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gestellt.
Über den Antrag wurde von der zuständigen Behörde erst im April 2005 entschieden. Dem Antrag der Klägerin auf Gleichstellung wurde im April rückwirkend zum 3. Dezember 2004 stattgegeben.
Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.
Im Prozess machte die Klägerin geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil sie am 6. Dezember 2004 bereits (rückwirkend) gleichgestellt gewesen sei und somit den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX in Anspruch nehmen könne.
Die Klage blieb vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts jedoch erfolglos.
Zwar war die Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung einem Schwerbehinderten gleichgestellt, jedoch stand ihr nach § 90 Abs. 2a SGB IX kein Sonderkündigungsschutz zu. Denn sie hatte ihren Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen, sondern nur drei Tage (am 3. Dezember 2004) vor der am 6. Dezember 2004 ihr gegenüber ausgesprochenen Kündigung gestellt.

3. Praxishinweis zum Antrag auf Zustimmung des Integrationsamtes

Der Arbeitgeber muss die Zustimmung zur Kündigung bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt beantragen.

Die Beantragung muss schriftlich erfolgen.

Der Antrag des Arbeitgebers muss die folgenden Angaben enthalten:

  1. Name und Adresse des schwerbehinderten Menschen
  2. Dauer des Beschäftigungsverhältnisses
  3. Art der Tätigkeit
  4. Name und Sitz des Betriebes
  5. Beabsichtigter Kündigungstermin
  6. Kündigungsfrist

Eine Begründung des Antrages ist zwar nicht vorgeschrieben, der Arbeitgeber sollte aber trotzdem darauf achten, seinen Antrag hinreichend ausführlich zu begründen. Dies kann zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen.

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