Staatsverschuldung

Die Verschuldung eines Staates wird aus zwei Perspektiven gesehen – beide sind der Öffentlichkeit vor allem im Zusammenhang mit den so genannten Maastricht-Kriterien bekannt (Beitritt zur Europäischen Währungsunion). Zum einen geht es um die Neuverschuldung: Das ist der Betrag, den ein Staat in einem Haushaltsjahr neu aufnehmen muss, um sein Budget auszugleichen (Haushaltsdefizit). Laut Maastricht-Kriterien zum Beispiel sollte die jährliche Neuverschuldung in den Beitrittsländern nicht höher ausfallen als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die zweite Variante der Staatsverschuldung ist der Schuldenstand, auch Gesamtverschuldung genannt. Das ist der Betrag, mit dem Bund, Länder und Gemeinden insgesamt in der Kreide stehen – in Deutschland waren das Mitte des Jahres 2000 fast 1,2 Billionen Euro. Doch auch solch riesig anmutende Beträge sind relativ zu sehen. Deshalb werden sie ebenfalls auf das Bruttoinlandsprodukt bezogen. Laut Maastricht-Kriterien sollte die Gesamtverschuldung der einzelnen Länder den Wert von höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Die Frage nach den Grenzen und den Wirkungen der Staatsverschuldung werden heute zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sind vor allem die Grenzen einer wachsenden Verschuldung schwierig zu markieren. Wenn gleichzeitig auch das Bruttosozialprodukt entsprechend zulegt, bleibt die Schuldenquote unverändert. Die Haushaltsrechtler in Deutschland haben in dieser Frage einen bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes. Die Richter beriefen sich dabei auf den Artikel 115 Grundgesetz, wonach die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten dürfen, Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Damit sind zugleich zwei wichtige Ziele oder gewünschte Effekte der Staatsverschuldung genannt: Die Verschuldung ist dann akzeptabel, wenn damit öffentliche Investitionen finanziert werden, die Kredite also später auch Erträge abwerfen. Zum anderen kann die Kreditaufnahme auch dann sinnvoll sein, wenn damit die lahmende Konjunktur angekurbelt wird – was im Idealfall dazu führt, dass der Staat über steigende Steuereinnahmen sein Defizit wieder abbauen kann. Weil in den vergangenen Jahrzehnten die positiven Effekte der Staatsverschuldung in vielen Ländern aber nicht oder nur sehr begrenzt eingetreten sind, wächst die Skepsis gegenüber der Staatsverschuldung. Immer deutlicher treten ihre negativen Auswirkungen in den Vordergrund: Steigende Zins- und Tilgungsverpflichtungen engen den finanz- und haushaltspolitischen Spielraum ein. So musste zum Beispiel die Bundesrepublik für ihren aktuellen Schuldenstand im Jahr 2000 allein 69 Mrd. Euro an Zinsen zahlen – das waren fast 15 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Zudem birgt eine steigende staatliche Kreditaufnahme die Gefahr, private Kredite und Investitionen vom Markt zu verdrängen – mit entsprechend negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum. In den meisten Industrieländern ist deshalb die Konsolidierung der Staatsfinanzen das vorrangige Ziel der Finanzpolitik. In Deutschland strebt der Bundesfinanzminister an, spätestens im Jahr 2006 einen ausgeglichen Haushalt vorzulegen, sprich keine neuen Schulden aufzunehmen. Erst dann kann der Abbau der Gesamtverschuldung angegangen werden.

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