Strukturpolitik

Die Strukturpolitik umfasst die verschiedenen Aufgabenfelder der Wirtschaftspolitik, die auf Pflege oder Änderungen der Wirtschaftsstruktur abzielen. Elemente sind z. B. sektorale Strukturpolitik, regionale Strukturpolitik, Infrastrukturpolitik und Industriepolitik. Die Strukturpolitik betrifft direkte staatliche Maßnahmen zur Beeinflussung der Wirtschaftsstruktur, nicht die indirekten Auswirkungen, die nahezu alle wirtschaftspolitischen Entscheidungen nach sich ziehen. Kernpunkt der Strukturpolitik sollte eine an klaren ordnungspolitischen Grundsätzen orientierte Wirtschaftspolitik sein, die nicht Sonderhilfen für bestimmte, vom Strukturwandel bedrohte Branchen oder gar die Rettung einzelner Unternehmen in den Mittelpunkt stellt. Trotzdem wird Strukturpolitik häufig als eine strukturkonservierende Wirtschaftspolitik missverstanden, die sich in der Subventionierung von veralteten nicht mehr konkurrenzfähigen Branchen wie dem Steinkohlebergbau verzettelt. Auch in diesen Bereichen stand anfangs die Abfederung des Strukturwandels im Mittelpunkt, die sich unter dem Druck von Lobbyisten zum Hemmschuh für Veränderungen wandelte. Die Subventionen (Finanzhilfen und Steuervergünstigungen) erreichen inzwischen je nach Abgrenzung einen Umfang von 60 bis 90 Mrd. Euro pro Jahr bzw. 3,0 bis 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die damit verbundene Begünstigung bestimmter Wirtschaftssektoren sowie Regionen, Unternehmen und Personen stellt eine Benachteiligung aller Übrigen dar. Die zu ihrer Finanzierung erhobenen Steuern und Abgaben setzen Fehlanreize und drücken auf die Leistungsbereitschaft. In offenen Volkswirtschaften ist die Geschwindigkeit des Strukturwandels besonders hoch, da für gehandelte Güter prinzipiell die Weltmarktpreise gelten. Damit kommen die Nachfrager zwar im Zuge der Globalisierung in den Genuss der weltweiten Produktivitätsfortschritte, doch sind die einheimischen Produzenten einem besonders hohen Anpassungsdruck ausgesetzt. Sind entsprechende Produktivitätssteigerungen nicht möglich, wie z. B. im Kohlebergbau, Schiffbau oder in Teilen der Landwirtschaft, entsteht entsprechender Druck auf die Politik, mit Subventionen oder Marktabschottung den Strukturwandel abzufedern – oder eben oft zu verhindern. Die Folge sind Dauersubventionen, die zunehmend die Marktkräfte unterlaufen und irgendwann nicht mehr finanzierbar sind. Am Ende gehen die Arbeitsplätze in den betroffenen Branchen doch verloren. Auch bei der Förderung neuer Branchen ist eine gezielte Steuerung so genannter Zukunftsindustrien problematisch. Die staatlichen Entscheidungsträger haben trotz Unterstützung durch Expertengremien nur eine sehr beschränkte Voraussicht, welche Branchen in zehn oder 20 Jahren tatsächlich die entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft spielen werden. Aus diesem Grunde ist es besser, wenn sich die Politik um günstige Rahmenbedingungen für Innovationen in der Wirtschaft bemüht und jungen Unternehmen in Wachstumsbranchen keine Hürden in den Weg stellt, anstatt viel Geld in die Entwicklung spezifischer Technologien zu stecken. Noch fragwürdiger als eine solche an Zukunftstechnologien ausgerichtete Strukturpolitik ist eine Industriepolitik, die bestimmten Branchen Sonderrechte einräumt oder gar dem lobbyistischen Druck einzelner Großunternehmen nachgibt. Als Beispiel hierfür kann der Streit zwischen der EU-Kommission und der deutschen Bundesregierung um die Absatzbedingungen im europäischen Autohandel dienen, wo Brüssel für die Durchsetzung allgemein gültiger EU-Wettbewerbsregeln eintritt. Generell hat sich in Europa seit Einführung des EU-Binnenmarktes zunehmend eine auf freien Wettbewerb ausgerichtete Ordnungs- und Strukturpolitik durchgesetzt. Ein auffälliges Beispiel für diese Entwicklung ist der Telekommunikationsmarkt, wo die Verbraucher in den letzten Jahren in den Genuss neuer Dienste bei gleichzeitig sinkenden Preisen kamen.

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