Tarifpolitik

Auf den meisten Feldern der Wirtschaftspolitik hat der Staat seine Finger im Spiel. Die Tarifpolitik bildet eine wichtige Ausnahme: Über Löhne und Gehälter, Arbeitszeiten und weitere Arbeitsbedingungen entscheiden Arbeitgeber, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, also die Tarifpartner, weitgehend allein. Artikel 9, Absatz III des Grundgesetzes und das Tarifvertragsgesetz (TVG) garantieren ihnen das Recht, Tarifverträge abzuschließen. Juristisch gesehen ist das eine schriftliche Vereinbarung zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern (Firmentarifvertrag) bzw. zwischen einer Vereinigung von Arbeitgebern und einer oder mehreren Gewerkschaften (Verbandstarifvertrag). Es wird unterschieden zwischen dem meist kurzfristigen Lohn- und Gehaltstarifvertrag und dem längerfristigen Manteltarifvertrag, der zum Beispiel die Arbeitszeit, den Jahresurlaub sowie Mehr-, Spät-, Sonntagsarbeit und ähnliches regelt. Tarifverträge gelten zunächst für Gewerkschaftsmitglieder bzw. für die Unternehmen des beteiligten Arbeitgeberverbandes. Obwohl ein tarifgebundener Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, einem nicht gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter den tarifvertraglichen Lohn zu zahlen, wenden viele Arbeitgeber die Tarifvereinbarungen freiwillig auch für diese Beschäftigten an. In Westdeutschland orientieren sich auch nicht-tarifgebundene Arbeitgeber häufig an den Tarifabschlüssen. Unter bestimmten Voraussetzungen können der Bundes- oder die Landesarbeitsminister nach § 5 TVG auf Antrag der Tarifpartner einen Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklären. Er gilt dann auch für Arbeitgeber, die nicht dem Verband angehören. So waren zum Bespiel Anfang 2003 von den gültigen 57.300 Tarifverträgen 463 vom Staat als allgemein verbindlich erklärt worden. Dem Abschluss eines Tarifvertrages gehen oft langwierige Verhandlungen voraus. Beide Partner bemühen sich um ein Ergebnis, das sie vor ihren Mitgliedern vertreten können. In den meisten Fällen finden in den Verhandlungen die Tarifpartner einen Kompromiss. Bleiben die Verhandlungen erfolglos, bietet die Schlichtung den letzten friedlichen Ausweg. Sie findet unter Mitwirkung eines einvernehmlich ernannten Schlichters, aber (außer im Öffentlichen Dienst) ohne staatliche Beteiligung statt – es gibt also keine staatliche Zwangsschlichtung. Beide Tarifpartner können unangenehme Entscheidungen der Schlichtungsstelle wesentlich leichter verkraften, weil sie dabei ihr Gesicht wahren. Der Arbeitskampf gilt als letzter Ausweg (ultima ratio) in der Tarifauseinandersetzung. In Deutschland spielen Streiks allerdings nur eine untergeordnete Rolle. So gingen zwischen 1992 und 2001 je 1.000 Beschäftigten nur neun Arbeitstage verloren – weniger waren es nur in Österreich (2), Japan (2) und der Schweiz (2).

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