Überstunden

Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeit wurden in Deutschland im Jahre 2001 rund 1,74 Mrd. Überstunden geleistet. Diese Mehrarbeit fällt in der Praxis immer dann an, wenn die feste Belegschaft eines Betriebes die anstehende Arbeit nicht in der tariflich festgelegten Arbeitszeit erledigen kann. Oft wird von verschiedenen Seiten, zum Beispiel von den Gewerkschaften, vorgeschlagen, die Überstunden durch die Einstellung neuer Mitarbeiter abzubauen. Auch wenn und soweit diese Strategie grundsätzlich möglich ist, so ist sie nicht immer die beste Alternative, denn häufig entstehen die Engpässe durch Auftragsspitzen – sie sind also nur vorübergehender Natur. Zudem lassen sich Arbeitsplätze und Aufgaben nicht beliebig teilen: Die Produktion eines Gutes oder einer Dienstleistung ist gewöhnlich das Ergebnis der komplexen Zusammenarbeit von mehreren Personen mit unterschiedlichen Qualifikationen. Kommt ein neuer Mitarbeiter in ein solches Team, so dauert es eine gewisse Zeit, bis der oder die Neue in den Betriebsablauf integriert ist und seine oder ihre volle Produktivität entfalten kann. In der Wirtschaft und in der Wissenschaft ist es deshalb nahezu unumstritten, dass ein gewisses Maß an Überstunden als Flexibilitätsreserve zwingend erforderlich ist. Dennoch werden Überstunden häufig als nicht notwendiges Übel charakterisiert, dem gegebenenfalls sogar durch gesetzliche Maßnahmen entgegenzutreten sei. Gegen eine solche Zwangsmaßnahme sprechen mehrere Argumente. Erstens verursachen die Überstunden den Unternehmen ohnehin hohe Kosten: Im Durchschnitt zahlt das Verarbeitende Gewerbe für die Mehrarbeit rund 25 Prozent des normalen Stundenlohns als Überstundenzuschlag, je nach Region und Branche betragen die Aufschläge sogar mehr als 100 Prozent. Insofern haben die Unternehmen selbst ein Interesse daran, so wenig Überstunden wie möglich entstehen zu lassen. Das zeigt auch die Entwicklung der Überstunden: Waren es im Jahr 1970 pro Erwerbstätigen noch fast 160 Stunden, so ist die Zahl mittlerweile auf knapp 65 Stunden zurückgegangen. Gegen eine gesetzliche Beschneidung der Mehrarbeit spricht zweitens, dass für die anfallenden Arbeiten adäquat qualifizierte Kräfte auf dem Arbeitsmarkt gefunden werden müssen. Da aber die meisten Überstunden gerade von hoch qualifizierten Spezialisten geleistet werden und diese auf dem Arbeitsmarkt immer knapper werden, ist es äußerst fraglich, ob eine gesetzlich verordnete Reduzierung der Überstunden den Arbeitsmarkt wie gewünscht entlastet. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass viele Betriebe aufgrund der Personalknappheit auf Aufträge verzichtet müssen. Und schließlich gibt es weit bessere Wege, die Überstunden weiter zu reduzieren, als ein gesetzliches Korsett. Als probates Mittel haben sich in der Vergangenheit die verschiedenen Instrumente zur Flexibilisierung der Arbeitszeit erwiesen, angefangen bei variablen Wochenarbeitszeiten über Gleitzeitmodelle bis hin zu Jahres- und Lebensarbeitszeitkonten.

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