Angebot und Nachfrage

Zwei Begriffe tauchen in der aktuellen Debatte um Reformen in Deutschland immer wieder auf. Zum einen ist die Rede von einer Stärkung der Binnen-Nachfrage, zum anderen ist die Rede von angebotsorientierten Reformen. Beide Begriffe spiegeln sehr unterschiedliche wirtschaftswissenschaftliche Denkschulen wider, auf die sich die Akteure der Reformdebatte im Vorfeld der Bundestagswahl beziehen. Wer hier mitreden will, sollte wissen, was dahinter steckt.

 

Erstens Nachfragepolitik

In den sechziger und frühen siebziger Jahren herrschte die Auffassung vor, dass wirtschaftliche Probleme vor allem durch Schwankungen der Nachfrage verursacht werden. Die Probleme, so meinen die Verfechter einer nachfrageorientierten Politik, seien am besten zu lösen, indem der Staat mit Hilfe von Ausgaben, Zinsen und Steuern die Schwankungen ausgleicht und so den Wirtschaftsprozess verstetigt. So soll sich die Regierung etwa bei schwacher Konjunktur verschulden, um mit höheren Ausgaben die Nachfrage anzukurbeln. Im Gegenzug sieht das Konzept vor, dass sie in Zeiten der Hochkonjunktur die Ausgaben reduziert und die Schulden wieder abbaut. In der Praxis leidet eine solche antizyklische Politik jedoch unter dem Problem, dass sie zu wachsender Staatsverschuldung führt. Denn auch in Boomphasen sparen Regierungen nur ungern. Als geistiger Vater der Nachfragepolitik gilt der Ökonom John Maynard Keynes – daher ist häufig von keynesianischer Politik die Rede. In der deutschen Politik ist die Nachfrageorientierung insbesondere mit Karl Schiller verbunden, der als Wirtschaftsminister (1966-1972) die Strategie der Globalsteuerung entwickelte.

 

Zweitens Angebotspolitik

Nach dem Konzept der Angebotspolitik soll der Staat die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass Eigenverantwortung, unternehmerische Initiative und private Investitionen möglichst wenig behindert werden. Die Politik soll nicht in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen, sondern Markt und Wettbewerb möglichst ungehindert zum Zuge kommen lassen. Niedrigere Steuern und Abgaben, weniger Regulierung und Bürokratie, weg mit Subventionen – das sind typische angebotsorientierte Forderungen. Ein Problem der Angebotspolitik: Anders als mit neuen Staats-Ausgabenprogrammen können Politiker mit angebotspolitischen Reformen kurzfristig kaum punkten, denn die positiven Wirkungen entfalten sich zumeist erst verzögert. Gleichwohl wird die Angebotspolitik von der Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland für das bessere Konzept gehalten. Entwickelt wurde sie bereits Ende der siebziger Jahre maßgeblich vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den fünf Wirtschaftsweisen. In der Praxis gewann die Angebotspolitik vor allem in den USA (Reagonomics) und im Großbritannien (Thatcherismus und New Labour) an Bedeutung. Nach der Bonner Wende 1982/83 beeinflusste sie für einige Jahre auch die deutsche Politik – wenn auch, wie viele Ökonomen meinen, zu wenig.

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