Die deutschen Arbeitsbeziehungen sind stark durch ein duales System der Interessenvertretung gekennzeichnet. Während Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände die Arbeitsbedingungen zumeist kollektiv im Rahmen von Firmen- oder branchenweiten Flächentarifverträgen festlegen, wirken die Betriebsräte im Rahmen der Mitbestimmung bei der innerbetrieblichen Willens- und Entscheidungsbildung mit. Diese Aufgabenteilung zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten ist institutionell fest verankert. Paragraf 77 Absatz 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) schließt aus, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, es sei denn, ein Tarifvertrag lässt den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zu. Dafür räumt das BetrVG den Betriebsräten eine Reihe von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten ein. Der Betriebsrat ist das zentrale Vertretungsorgan der Arbeitnehmer, der darüber wacht, dass Arbeitsschutzgesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Angesichts dieser besonderen Stellung ist es durchaus zu begrüßen, dass die Arbeitsmarktverfassung dem Betriebsrat keine tarifpolitischen Kompetenzen einräumt, weil die Machtfülle der Institution Betriebsrat zu groß wäre. Allerdings lässt sich beobachten, dass die Gewerkschaften im Rahmen der seit einigen Jahren beobachtbaren Dezentralisierung der Tarifpolitik viele Tarifverträge für ergänzende Betriebsvereinbarungen geöffnet haben. Durch diese Kompetenzübertragung haben Betriebsräte tarifpolitische Aufgaben übernommen, was sich in zahlreichen betrieblichen Bündnissen für Arbeit niedergeschlagen hat. Allerdings behalten sich die Gewerkschaften in den meisten Fällen ein Vetorecht vor. Die Kernzone des dualen Systems der Interessenvertretung – also Betriebe, die tarifgebunden sind und gleichzeitig über einen Betriebsrat verfügen – ist in den letzten fünf Jahren deutlich geschrumpft. Gab es im Jahr 1998 noch in 14 Prozent aller westdeutschen und in 12 Prozent aller ostdeutschen Betriebe mit mindestens fünf Beschäftigten eine Tarifbindung und einen Betriebsrat, schrumpften diese Anteile bis zum Jahr 2003 auf 9 beziehungsweise 8 Prozent. Ein aussagekräftigeres Bild über die Verankerung des dualen Systems ergibt sich bei einer Differenzierung nach der Betriebsgröße. Da sowohl die Tarifbindung als auch die Verbreitung von Betriebsräten mit der Unternehmensgröße zunehmen, ist das duale System vor allem in Betrieben mit mindestens 200 Beschäftigten fest etabliert. In kleineren Firmen werden hingegen eher alternative Kooperationsformen (Belegschaftsvertreter, runde Tische) gepflegt.