Ein Jahr AGG – Eine Bilanz

Vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im August 2006 wurde den deutschen Unternehmen eine Klagewelle prophezeit.

Interessensverbände, Rechtsanwälte und Politiker befürchteten amerikanische Verhältnisse in Deutschland. Doch hohe Entschädigungssummen sind bisher ausgeblieben.

Nach einem Jahr AGG haben sich viele Unternehmen im Hinblick auf die Personalbeschaffung weitestgehend mit den gesetzlichen Vorgaben arrangiert.
In vielen Bereichen der Personalpolitik werden die Risiken des AGG jedoch nach wie vor unterschätzt. Insbesondere im Mittelstand, wie eine aktuelle Studie belegt.

Die Verstöße des deutschen Gesetzgebers gegen die europarechtlichen Vorgaben bergen für die Wirtschaft eklatante Risiken, wie die ersten Urteile zum AGG zeigen.
Die Sozialauswahl aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste verstieß gegen das AGG, auch wenn der deutsche Gesetzgeber die Anwendung des AGG für Kündigungen im Gesetz ausgeschlossen hat.

Die Wirksamkeit von mehr als 600 Kündigungen steht nun in Frage! kommentiert Dr. Hans-Peter Löw, Arbeitsrechtler im Frankfurter Büro von Lovells eine der ersten Entscheidungen im Lichte des neuen Gleichbehandlungsgesetzes.

Viele Unternehmen haben die Prozesse bei der Personalbeschaffung, wie Stellenausschreibungen und Bewerberauswahl nach dem Inkrafttreten des AGG anhand der gesetzlichen Vorgaben geprüft und bei Bedarf angepasst. Dennoch werden die Auswirkungen des AGG auf andere Unternehmensaktivitäten noch unterschätzt.

Jüngstes Beispiel: die Klage eines Hamburger Betriebsrates auf gleiche Bezahlung von Männern und Frauen im Unternehmen.

Weil bislang die Arbeit der im Lager tätigen Mitarbeiter je nach Geschlecht nach unterschiedlichen Tarifverträgen vergütet wurde, führte dies dazu, dass Frauen bei gleicher Tätigkeit bis zu 300 Euro monatlich weniger verdienten als Männer. Diesen Zustand hat der Betriebsrat nun durch seine Klage, der ein Vergleich mit dem Arbeitgeber folgte, korrigiert.

Arbeitsrechtsexperte Löw:
Nicht nur bei Kündigungen wird das AGG noch häufiger eine Rolle spielen als jetzt. Durch das AGG müssen einerseits bekannte Einschätzungen zum Kündigungsrecht neu überdacht werden. Andererseits wird die AGG-Festigkeit der Vergütungspolitik der Unternehmen zunehmend in den Vordergrund rücken. Zusammen ergibt das ein enormes Risikopotential für Unternehmen. Zwar sind die in Deutschland bisher gezahlten Entschädigungssummen gering und liegen nicht auf dem erwarteten Niveau.

Beispielsweise wurde die Lufthansa erst kürzlich durch das Arbeitsgericht Frankfurt am Main zur Zahlung von 4.000 Euro Schadenersatz an eine 46-jährige Bewerberin verurteilt, deren Bewerbung auf eine Vollzeitstelle wegen ihres Alters als nicht zumutbar abgelehnt wurde.

Der Europäische Gerichtshof wird jedoch sicherlich die Gelegenheit erhalten, über die Angemessenheit der in Deutschland gezahlten Entschädigungsleistungen zu urteilen. Entschädigungszahlungen müssen nach den europarechtlichen Vorgaben abschreckend sein.
Auch wenn diese Formulierung im AGG keinen Niederschlag gefunden hat, wird der Europäische Gerichtshof unangemessen niedrige Entschädigungsleistungen nicht akzeptieren. Daher ist auf mittlere Sicht mit einem deutlichen Anstieg der Entschädigungssummen zu rechnen sagt Löw.

Zum Vergleich:
Ende Juni 2007 wurde in den USA der Handelskonzern Wal-Mart zur Zahlung von 2 Millionen US-Dollar wegen Diskriminierung einer weiblichen Angestellten verurteilt.

Trotz großer Medienpräsenz des AGG gibt es immer noch einige Unternehmen, die das Gesetz völlig außer Acht lassen.
Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für kleine und mittlere Unternehmen planen nur 18 Prozent Ihre Mitarbeiter im Hinblick auf die Vorgaben des AGG zu schulen.
Gleichzeitig bringt für 79 Prozent der im April 2007 befragten Unternehmen das AGG eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich.
Im Ergebnis der Studie wird den Unternehmensleitungen – und so schließt sich der Kreis – nur ein geringer Informationsstand bescheinigt.

 

DIE WICHTIGSTEN AGG-REGELUNGEN FÜR DIE BETRIEBLICHE UMSETZUNG

  • Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen die Benachteiligungsverbote ausgeschrieben werden (§ 11 AGG).
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen (§ 12 Abs. 1 AGG).
  • Der Arbeitgeber soll insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen hinweisen (§ 12 Abs. 2 AGG).
  • Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen (Abmahnung, Versetzung oder Kündigung) (§ 12 Abs. 3 AGG). 
  • Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach dem AGG zuständigen Stellen sind im Betrieb bekannt zu machen (§ 12 Abs. 4 AGG).

 

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