Freizeitanspruch für die Stellensuche

1. Einleitung

Nach § 629 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) soll Beschäftigten nach einer Kündigung Freizeit zur Stellensuche gewährt werden, um sie in die Lage zu versetzen, eine neue Anstellung zu finden.

Dieser Anspruch des Arbeitnehmers ist unabdingbar. Er folgt aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Der Arbeitnehmer soll die Möglichkeit erhalten, noch vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses, d.h. während des sich in der Abwicklung befindlichen Arbeitsverhältnisses, eine neue Stelle zu suchen.
In diesem Zusammenhang sei noch folgendes erwähnt:
Seit dem 01.01.2003 ist der Arbeitgeber zudem nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III verpflichtet, den Arbeitnehmer frühzeitig vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen.

Freilich bezweckt diese Norm vorrangig die Erfüllung der Meldepflichten des Arbeitnehmers.

Im Zusammenhang mit der Einführung des § 2 Abs. 2 SGB III hatte der Gesetzgeber auch die Einführung eines § 629 a BGB erwogen. Dieser sah einen Anspruch auf Freistellung zur Stellensuche von 4 Tagen und bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 5 Jahren von bis zu 10 Tagen vor. Nach vielfältiger Kritik wurde diese beabsichtigte Regelung jedoch nicht umgesetzt.

2. Voraussetzungen des Freizeitanspruchs

a) § 629 BGB gilt grundsätzlich für alle Dienst- und Arbeitsverhältnisse, wobei es sich um ein dauerndes Arbeits- oder Dienstverhältnis
    handeln muss.

Mit der Formulierung dauerndes Dienstverhältnis stellt der Gesetzgeber klar, dass die Verpflichtung nicht bei kurzzeitigen Dienst- oder Arbeitsverhältnissen besteht, d.h. die geschuldeten Dienste dürfen nicht einmaliger oder mehrmalig wiederholender Natur sein.

Der Arbeitsvertrag muss auf unbestimmte oder bestimmte längere Zeit abgeschlossen sein.
Hervorzuheben ist, dass dieser Anspruch auch bei Ausbildungsverhältnissen besteht.
Keine Anwendung findet die Vorschrift auf Probe- und Aushilfsarbeitsverhältnisse, denn solche Arbeitsverhältnisse sind eben nicht auf Dauer angelegt.

Wird allerdings ein unbefristetes Arbeitsverhältnis während der Probezeit durch Kündigung beendet, findet § 629 BGB Anwendung.

b) Weitere Voraussetzung ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer.

Der Anspruch auf Freizeit entsteht also unabhängig davon, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsvertrages erklären.
Der Kündigung stehen Aufhebungsverträge und der Fristablauf bei befristeten Arbeitsverhältnissen gleich.
In letzteren Fällen besteht der Freistellungsanspruch ab dem Zeitpunkt, der bei Kündigung zum Vertragsende als Beginn der Kündigungsfrist in Betracht käme.

c) Weitere Voraussetzung ist das Freizeitverlangen des Arbeitnehmers, denn die Freizeit zur Stellensuche wird nur bei rechtzeitigem 
    Ersuchen des Arbeitnehmers ermöglicht.

Der Arbeitnehmer muss das Freizeitverlangen so rechtzeitig stellen, dass sich der Arbeitgeber darauf einstellen kann, um eine Störung des Betriebsablaufs zu vermeiden.

Der Arbeitnehmer darf sich die Freizeit insbesondere nicht eigenmächtig nehmen. Das Freizeitverlangen muss dem Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses dienen. In diesem Sinne sind etwa das Aufsuchen eines neuen Arbeitgebers, des Arbeitsamtes oder einer gewerblichen Arbeitsvermittlung umfasst.

3. Umfang des Freizeitanspruchs

Der Arbeitnehmer hat nach dem Gesetzeswortlaut Anspruch auf eine angemessene Dienstbefreiung. Der Arbeitgeber hat die Entscheidung über die Dienstbefreiung nach billigem Ermessen zu treffen.

Im Rahmen der Entscheidung sind insbesondere die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wobei die Bindung des Arbeitgebers an das Verlangen des Arbeitnehmers im Rahmen der Ermessensausübung stärker als in anderen Bereichen sein dürfte, in denen der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu entscheiden hat.

Letztlich hängen Anzahl und Dauer der Freistellung in erster Linie davon ab, welche Maßnahmen zur Stellensuche erforderlich sind.

Im übrigen ist zu beachten, dass teilweise in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen Sonderregelungen enthalten sind, die diesen Freizeitanspruch näher konturieren.

4. Durchsetzung des Freizeitanspruchs

Im Falle unberechtigter Weigerung des Arbeitgebers, den Freizeitanspruch zu gewähren, kann der Arbeitnehmer einstweiligen Rechtsschutz der Gerichte in Arbeitssachen in Anspruch nehmen.

Ein Selbstbeurlaubungsrecht steht ihm nicht zu. Im übrigen könnte der Arbeitnehmer in Fällen der unberechtigten Weigerung das Arbeitsverhältnis auch fristlos kündigen und Schadensersatz verlangen.

5. Vergütung der Gewährung von Freizeit zur Stellensuche

Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers während der Freistellung ist in § 629 BGB nicht geregelt.

Nach allgemeiner Meinung findet auf diesen Fall § 616 BGB Anwendung, d.h. soweit ein Anspruch auf Freizeitgewährung besteht, muss der Arbeitgeber die Vergütung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit fortzahlen. Da es den Parteien des Arbeitsvertrags freisteht, § 616 BGB abzubedingen, kann die Fortzahlung der Vergütung auch für die Zeit der Freistellung einzel- oder kollektivvertraglich ausgeschlossen sein.

6. Zusammenfassung

§ 629 BGB gibt dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freizeit zur Stellensuche nach einer Kündigung.

Ziel dieses Freizeitanspruchs zur Stellensuche ist es, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich noch während des auslaufenden Arbeitsverhältnisses nach einem neuen Arbeitsplatz umzusehen.

Der Anspruch ist zwingendes Recht und nicht abdingbar.

Eine Konkretisierung des Begriffs der angemessenen Freizeit ist zulässig und findet sich häufig in den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.

Schreibe einen Kommentar