Fremdgehen am Diensttelefon

Der FC Bayern München macht es seit Jahren vor:
Wer Mitarbeiter von der Konkurrenz abwirbt, gewinnt nicht nur qualifiziertes und gut ausgebildetes Personal, sondern schwächt auch die Wettbewerber.

Seit die Konjunktur anzieht und Fachkräfte in einigen Branchen rar werden, erinnern sich auch viele deutsche Unternehmen an dieses Rezept.

Personalberater, häufig als Headhunter bezeichnet, lassen die Telefone in Konkurrenzbetrieben klingeln und ermuntern Fach- und Führungskräfte zu einem Wechsel zur Konkurrenz.

Doch während es in der Bundesliga für Spielertransfers klare – wenn auch nicht immer eingehaltene – Regeln gibt, unterliegt die Tätigkeit von Headhuntern keinen Gesetzen.
Daher müssen die Gerichte immer wieder klären, ob und wie sich Unternehmen gegen die Abwerbungsversuche wehren können und was Mitarbeiter bei einer Abwerbung beachten müssen.

Fasse Dich kurz Arbeitnehmer, die einen Anruf von einem Headhunter entgegennehmen, müssen keine rechtlichen Nachteile fürchten – solange sie sich kurz fassen.
Findet das Gespräch am Arbeitsplatz statt, darf es nur einer ersten Kontaktaufnahme dienen. Andernfalls würde die vertragliche Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verletzt.
Ausführlich können sich Arbeitnehmer über die angebotene Stelle und die Vergütung schließlich auch außerhalb der Arbeitszeit informieren lassen. Oft will der Arbeitgeber sich auch lieber an die Konkurrenzunternehmen oder die Headhunter halten, die ihm die Mitarbeiter streitig machen wollen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat aber vor drei Jahren klargestellt, dass Anrufe durch Personalberater am Arbeitsplatz nicht generell wettbewerbswidrig sind (BGH I ZR 221/01).
Sie seien eine Folge des freien Wettbewerbs, in dem Arbeitgeber hinnehmen müssten, dass Mitarbeiter abgeworben werden.
Diese hätten zudem ein Interesse daran, von Personalberatern zu erfahren, wie sie ihre berufliche Situation verbessern können.

Im konkreten Fall wollte sich ein auf die Einrichtung von Computernetzwerken spezialisiertes Unternehmen gegen einen Headhunter wehren, der eine Projektleiterin im Büro angerufen und ihr eine Stelle als Projektleiterin bei einem Softwarehersteller angeboten hatte.
Ihr Arbeitgeber verklagte den Headhunter auf Unterlassung und forderte Informationen über mögliche Gespräche mit anderen Mitarbeitern.

Die Klage blieb aber erfolglos.

Mehrere Minuten können zuviel sein

Der BGH stellte jedoch klar, dass sich das Gespräch auf eine erste Kontaktaufnahme beschränken muss.
Der Mitarbeiter darf nur kurz nach seinem Interesse an der neuen Stelle befragt werden, diese wird kurz beschrieben, und eventuell vereinbaren die Beteiligten eine Kontaktaufnahme außerhalb des Büros. Denn schließlich nutzt der Personalberater die Telefonanlage des Arbeitgebers für die Abwerbung und hält den Mitarbeiter von der Arbeit ab.

Nach Ansicht der Richter spricht schon bei einer Gesprächsdauer von mehreren Minuten viel für eine Wettbewerbswidrigkeit.

All diese Grundsätze gelten übrigens auch für den ersten Anruf auf einem dienstlichen Mobiltelefon, hat der BGH später klargestellt (I ZR 73/02).

Für Anrufe außerhalb des Büros gilt:

Das Abwerben ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn besondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden, insbesondere wenn die Mitarbeiter zum Vertragsbruch verleitet werden oder der Konkurrent gezielt geschädigt werden soll. Diese Voraussetzungen lassen sich aber selten beweisen.
Insbesondere in der Finanzbranche, aber auch bei Rechtsanwälten oder IT-Dienstleistern werden oft ganze Teams abgeworbenen.
Für die betroffenen Unternehmen kann dies sehr schmerzhaft sein, wenn auf die Schnelle kein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht.
Solange der Konkurrent nur eine sich bietende Gelegenheit nutzt, ohne dass die Abwerbung ansonsten unlauter erscheint, schauen die betroffenen Arbeitgeber in die Röhre.

Keine Rücksicht auf Wettbewerber

Das musste sich vor einigen Jahren in einem spektakulären Fall die Opel AG vom Landgericht Frankfurt erklären lassen.

Nicht nur waren dem Autokonzern gerade sieben Führungskräfte abhandengekommen, die gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied José Ignacio López zu Volkswagen gegangen waren.
Zudem hatten weitere 22 Mitarbeiter aus dem Einkauf mit VW zumindest Gespräche über einen Wechsel geführt.

Das Landgericht Frankfurt hielt zwar allein aufgrund der Zahl der Wechselkandidaten eine Wettbewerbswidrigkeit für möglich, doch konnte Opel keine geplante Abwerbung beweisen.

Die sieben Topmanager erklärten unwiderlegt, die Initiative zu dem Wechsel sei von ihnen, nicht von Opel ausgegangen.
Es gebe aber kein allgemeines Rücksichtnahmegebot gegenüber Wettbewerbern, befand das Gericht kühl.

Trotz dieser Rechtsprechung ist es nicht risikolos für Unternehmen, über Headhunter neue Mitarbeiter zu rekrutieren.

Das musste ein bayrisches Unternehmen feststellen, das über einen Personalvermittler einen neuen kaufmännischen Leiter gewonnen hatte. Der kündigte schon fünf Tage nach Arbeitsbeginn fristlos.
Weil er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig beendet habe und daher zum Schadensersatz verpflichtet sei, forderte das Unternehmen von ihm auch das Honorar des Personalvermittlers in Höhe von 10 000 Euro zurück.

Das Arbeitsgericht Augsburg lehnt den Anspruch ab.
Es sei die alleinige Entscheidung des Unternehmens gewesen, den Personalvermittler einzuschalten.
Schadensersatz komme nur in Betracht, wenn die Provision bei einer vertragsgemäßen Kündigung nicht angefallen wäre.
Doch auch wenn der Mitarbeiter rechtmäßig gekündigt hätte, wäre das Unternehmen auf den Kosten für den Headhunter sitzengeblieben (8 Ca 1209/02 N).

Manchmal sitzt der Headhunter auch im eigenen Unternehmen, und zwar in Gestalt von Mitarbeitern, die sich für einen Arbeitsplatzwechsel oder den Sprung in die Selbständigkeit entschieden haben. Oft bereiten sie ihre neue Tätigkeit noch während ihres laufenden Arbeitsvertrages beim alten Arbeitgeber vor, und dazu gehört auch, sich selbst Mitarbeiter zu suchen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürfen Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber keine Konkurrenz machen, und zwar auch ohne entsprechende Verbotsklauseln im Vertrag.
Erlaubt sind nur Vorbereitungshandlungen, die nicht in die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers eingreifen, also etwa das Anmieten von Geschäftsräumen. Verboten ist dagegen das planmäßige Abwerben von Kollegen oder Kunden.
Das Bundesarbeitsgericht wertete dies als wichtigen Grund für die fristlose Kündigung des Vertriebsleiters einer Maschinenbaufirma, der mehrere Gebietsvertreter darauf angesprochen hatte, ob sie nicht künftig als Vertreter für seine neu gegründete Gesellschaft arbeiten wollten (6 AZR 292/78).Die Grenze zum Pflichtverstoß ist aber umstritten.
So halten manche Gerichte nur Werbeaktionen mit einer gewissen Beharrlichkeit und Ernsthaftigkeit für unzulässig.

Deshalb erklärte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz die außerordentliche Kündigung einer Friseurmeistern für unwirksam, die nur einigen Kolleginnen mitgeteilt hatte, sie plane den Schritt in die Selbständigkeit und werde höhere Löhne als die bisherige Arbeitgeberin zahlen (6 Sa 528/91).

Selten gibt es Schadensersatz

Anders entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf jüngst im Fall eines Produktionsleiters in China, der sich selbständig machen wollte und drei Kolleginnen fragte, ob sie in seinem eigenen Unternehmen mitarbeiten wollten.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass den Mitarbeiterinnen konkret höhere Löhne bei einem Wechsel in Aussicht gestellt wurden. Zudem hatte der Arbeitgeber durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes deutlich gemacht, dass er Konkurrenzgeschäfte unterbinden wollte (9 Sa 1637/05, nicht rechtskräftig).
Auch wenn sich das Verhalten nachträglich als unzulässig herausstellt – die Folgen für die Arbeitnehmer sind meist gering.
Zwar ist dann die außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt, doch damit endet das Arbeitsverhältnis nur etwas früher als ohnehin geplant. Theoretisch können den betroffenen Arbeitgebern Schadensersatzansprüche zustehen, doch ist ein konkreter Schaden selten nachweisbar.

Auch Vertragsstrafeklauseln bieten nur geringen Schutz, da Strafen oberhalb eines Bruttomonatsgehalts pro Verstoß in der Regel nicht zulässig sind. Der wirksamste Schutz gegen Abwerbung besteht daher in der Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter.

Headhunter dürfen zwar weiterhin deren Telefone klingeln lassen, doch zufriedene Mitarbeiter legen schnell wieder auf.

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