Michael Glos zur Diskussion um die Agenda 2010

Agenda 2010 – Die Lust an der Rolle rückwärts

Die gute Konjunktur wird schon wieder als selbstverständlich hingenommen. Doch wer die Agenda 2010 infrage stellt, gefährdet den Arbeitsmarkt. Von Michael Glos

Über 1700 neue Arbeitsplätze entstehen täglich. Noch nie haben in Deutschland so viele Menschen gearbeitet wie heute, und 1,1 Millionen Menschen haben seit dem Jahr 2005 den Weg aus der Arbeitslosigkeit gefunden.
Die gute Konjunktur beflügelt den Arbeitsmarkt, und es gibt klare Anzeichen, dass sich grundsätzlich etwas zum Besseren gewendet hat. Denn zum ersten Mal seit Jahrzehnten geht die hohe Sockelarbeitslosigkeit zurück.
Die gute Konjunktur und die Erfolge am Arbeitsmarkt werden jedoch schon wieder als selbstverständlich wahrgenommen. Es droht eine Rolle rückwärts bei der Agenda 2010.
Das Prinzip „Fordern und fördern" droht in ein „viel fördern und wenig fordern" umzuschlagen.
Nicht nur die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere soll wieder verlängert und die Vermögensfreigrenzen beim Arbeitslosengeld II angehoben werden; auch die Zeitarbeit soll wieder stärker reguliert und Frühverrentungen erleichtert werden.
Diese Forderungen kommen just in dem Moment, in dem das Nürnberger Arbeitsmarktinstitut mit neuen Studien belegt, dass die Agenda 2010 die Entstehung von Beschäftigung positiv flankiert: Freie Stellen werden schneller besetzt, denn Arbeitslose sind stärker als vorher bereit, für eine neue Stelle bei Lohn, Arbeitszeiten, Anfahrtswegen und Schichtdienst flexibler zu sein.
Gerade ältere Arbeitnehmer sowie Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose haben nun bessere Chancen, auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren: Wir haben allein 200 000 Arbeitslose über 50 Jahre weniger als vor einem Jahr.
Die kürzere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I sorgt für eine größere Flexibilität der Arbeitslosen bei ihrer Arbeitssuche und führt damit zu ihrer schnelleren Integration.
Die zwei Milliarden Euro, welche eine Verlängerung wahrscheinlich kosten würde, müssten an einer anderen Stelle wieder eingespart werden. Denn es kann nicht sein, dass wir für eine solche Maßnahme auf die wachstums- und beschäftigungsförderliche Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung verzichten.
Auch bei der Rente mit 67 dürfen wir das Rad nicht zurückdrehen. Nur wenn wir den Rentenbeginn ab 2012 konsequent um zwei Jahre hinausschieben und die Rentenkassen entlasten, können wir den Rentenbeitragssatz unter 20 Prozent halten.
Erleichterte Zugänge zur Erwerbsminderungsrente, wie sie jetzt teilweise gefordert werden, gefährden dieses Ziel und senden zugleich ein falsches Signal an Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Eine Rückkehr zur Frühverrentungspolitik vergangener Jahrzehnte können wir uns angesichts der demografischen Entwicklung nicht mehr erlauben.

Ich wende mich entschieden gegen jede Kampagne gegen Zeitarbeit.

Für viele Unternehmen bietet Zeitarbeit die erforderliche Flexibilität, um auf schwankende Auftragslagen zu reagieren und Personalengpässe auszugleichen.
Arbeitslosen bietet Zeitarbeit eine Brücke in den Arbeitsmarkt, und jeder dritte Zeitarbeiter wechselt zum Entleihunternehmen.

Die Agenda 2010 und die Rente mit 67 stellen unverzichtbare Reformen für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland dar.

Die Erfolge am Arbeitsmarkt sind Grund genug, mit Stolz auf das bereits Erreichte zurückzuschauen.
Sie zeigen, dass die Bundesregierung auf dem richtigen Kurs ist. Doch auf diesem Erfolg dürfen wir uns nicht ausruhen.
Vielmehr sollten die positiven Zahlen Mut machen für weitere wachstums- und beschäftigungsfördernde Reformen.

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt gibt es noch viel zu tun, denn gravierende Strukturschwächen bleiben bestehen.

Wir müssen die Erwerbsquote der Älteren weiter erhöhen, die Lohnzusatzkosten weiter senken und die aktive Arbeitsmarktpolitik auf die Instrumente konzentrieren, die sich als wirksam erwiesen haben.

Die Rücknahme von Teilen der Reform würde dagegen die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt gefährden.

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